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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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Seufzer tat.
    Er lebte also in einer fortlaufenden Krise, mit sich selbst und mit der Kohle. Trotz allem, sagt er heute, am Tag ihrer Beerdigung, mit Spaghetti bolo im Bauch und den Füßen auf dem Wohnzimmertisch, sei er glücklich gewesen, und da sei nur die Lisbeth dran schuld. Ohne sie hätte er irgendwann Unsinn gemacht, ohne sie hätte es böse geendet mit ihm, in der Gosse oder im Alkoholismus oder in beidem. Wahrscheinlich, sagt er, habe sie gar nicht so genau mitgekriegt, wie es zwischenzeitlich um ihn stand, in Zeiten der größten Unsicherheit, als nur noch die Gottesfürchtigsten unter den Bergleuten daran glaubten, die Zeche sei noch zu retten. Er habe alles in seinem Herzen verschlossen und es nur sonntags, beim Frühschoppen in der Eckkneipe, mal rausgelassen, bei einem Herrengedeck und einer Frikadelle mit den Kumpels.
    Nur einmal sei Lisbeth ihm in den Rücken gefallen, das war, als Petra studieren gehen wollte.
    «Mach doch ersma ’ne Lehre», hat Schmidtchen damals gesagt. «Dat is besser für deine Zukunft. Wenn de zu schlau wirs, findese hinterher keinen Mann.»
    Doch in Wahrheit ging es ihm gar nicht um Petras Liebesglück, das wurde ihm irgendwann klar, es ging ihm um sich selbst, denn in dem Moment, als seine Tochter verkündete, dass ihr die Schule nicht genüge, dass sie an einer der Universitäten lernen wolle, die sie nach dem Krieg zunächst in Bochum, dann in Duisburg und Essen gegründet hatten, da waren sie wieder da, seine Selbstzweifel. Es bereitete ihm körperlichen Schmerz, dass seine Tochter schlauer sein wollte als er, dass sie meinte, etwas Besseres sein zu müssen, als sei es nicht gut genug gewesen, was er ihr in ihrer Kindheit geboten hatte, dabei hat sie immer alles bekommen, ihr erstes Fahrrad hatte er sogar in Raten abgezahlt, so sehr hatte er sich für sie krummgemacht. Das alles hielt er Petra vor, hielt er Lisbeth vor. Doch Lisbeth lehnte sich mit der gleichen Beharrlichkeit gegen ihn auf, mit der sie sich damals, 1957 , gegen ihre Eltern aufgelehnt hatte.
    «Recht hat sie gehabt», sagt er, «das hab ich später gemerkt, und trotzdem denke ich heute manches Mal: Wäre die Petra nicht studieren gegangen, würd se getz in meiner Nähe wohnen, hätte Kinder gekricht, wär Hausfrau geworden wie meine Lisbeth und könnt mich öfter besuchen kommen.»
    Er nimmt die Füße vom Tisch und setzt sich im Sessel auf.
    «Abba so is dat nunma: Dat Rad der Zeit kannze nich zurückdrehn. Et geht immer nur vowwärts, nie rückwärts.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Meisterschaft
    «Pink or Pony – das ist das Motto!», sagt Lucy. «Kann mir jemand etwas Pinkes leihen, sonst muss ich als Pferd zur Party gehen.»
    «Hä?», frage ich Schnecke, die neben mir auf der Auswechselbank sitzt. Wir binden uns das Schuhwerk. Noch eine Stunde, dann beginnt unser letztes Meisterschaftsspiel, das entscheidende Spiel, das Spiel, in dem es um den Aufstieg geht. Musik dröhnt aus dem Puster. Lisa hat noch einmal eine neue CD gemixt, extra für heute, extra für den großen Tag. Seit zwei Wochen sind wir zwar wieder Tabellenzweiter, denn blöderweise haben wir bei einer 19 : 27 -Niederlage in Hamm kollektiv versagt, statt Handball haben wir «Heiße Kartoffel» gespielt: Huch, der Ball, schnell weg damit, hoppla, das war ja gar nicht Rosi, das war eine Gegnerin, zack, Gegentor. Doch heute haben wir alle Chancen, denn es ist Sonntagmittag, der Tabellenerste hat bereits gestern gespielt – und verloren. Wir müssen es heute nur zum Unentschieden schaffen, dann steigen wir auf. In der anderen Hallenhälfte steht der Tabellenvorletzte, es ist also alles drin. Oder anders gesagt: Es ist eigentlich eine Formsache. Hoffentlich.
    «Kennze nich?», fragt Schnecke. «Pink or Pony. Eine Mottoparty. Entweder du kommst komplett in Pink oder als Pferd verkleidet. Die Jungs entscheiden sich meist fürs Pferd, die Mädels gehen in Pink. Manchmal auch umgekehrt, aber eher selten.»
    «Ich habe einen pinken Bolero», sagt Rosi. «Und einen Rock. Und eine pinke Leggins.»
    «Bist du heimlich Barbie, oder was?», fragt Lisa.
    «Wenn du in dem Zeug nächste Woche zum Training kommst, kriegst du zwei Euro von mir», sagt Katrin. «Und wenn du darin trainierst, noch mal zwei.»
    «Von mir auch», sagt Schnecke.
    «Von mir auch», sagt Lisa.
    «Ich zahl auch», sage ich.
    «Ihr seid doch bekloppt», meint Rosi.
    «Überleg’s dir», sagt Schnecke. «Das sind 16 Euro, bar auf Tatze. Wenn noch ein paar einsteigen, sogar mehr. Du

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