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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Eins
    Er nahm die Ledermaske aus der Plastiktüte. Ein handwerkliches Meisterstück war sie nicht, denn er hatte sie nicht mit der erforderlichen Sorgfalt herstellen können. Aber sie würde ihren Zweck erfüllen.
    Seine Befürchtung, unterwegs einem Bullen zu begegnen, erwies sich als unbegründet. Und auch niemand anderes schenkte ihm Beachtung. In der Tüte befand sich nicht nur die Maske. Im Alkoholladen hatte er sich zwei Flaschen Brennivín besorgt, und in einem Baumarkt einen kurzstieligen Hammer und einen spitzen Metallstift.
    Das Material, das er für die Maske brauchte, hatte er tags zuvor bei einem Großhändler erstanden, der Leder und Felle importierte. Bevor er zu ihm gegangen war, hatte er sich so gut es ging rasiert und sich Sachen angezogen, die einigermaßen vorzeigbar waren. Er hatte genau gewusst, was er brauchte: Leder, Zwirn und eine gute Ledernadel.
    Zu dieser frühen Morgenstunde bestand ohnehin kaum die Gefahr, dass er irgendjemandem auffiel. Nur wenige Menschen waren in der Stadt unterwegs. Er blickte niemandem ins Gesicht, sondern ging mit gesenktem Kopf und großen Schritten zu einem Holzhaus an der Grettisgata. Dort beeilte er sich die Kellertreppe hinunter, betrat die Wohnung und schloss die Tür sorgfältig hinter sich.
    Nur einen kurzen Moment hielt er in der Dunkelheit inne. Inzwischen kannte er sich so gut aus, dass er sich auch im Stockfinsteren zurechtfand. Die Wohnung im Keller war nicht groß. Das fensterlose Badezimmer befand sich auf der rechten Seite des Flurs, die Küche ebenfalls. Sie hatte ein großes Fenster zum Hinterhof, vor das er eine dicke Decke gehängt hatte. Direkt gegenüber der Küche war das Wohnzimmer, daneben das Schlafzimmer. Das Fenster im Wohnzimmer ging zur Grettisgata hinaus, und die schweren Vorhänge dort waren zugezogen. Ins Schlafzimmer hatte er nur ein einziges Mal geschaut, das kleine Fenster oben an der Wand war mit einer schwarzen Plastiktüte zugeklebt.
    Er machte kein Licht, sondern nahm den Kerzenstummel zur Hand, den er auf einem Regal im Flur aufbewahrte. Er zündete ihn mit einem Streichholz an und ging in dieser schummrigen Beleuchtung ins Wohnzimmer. Er hörte die unterdrückten Laute des Unmenschen, der gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl saß. Er vermied es, den Kerl anzusehen, vor allem wollte er ihm nicht in die Augen blicken. Er stellte die Plastiktüte auf den Tisch und holte den Hammer, die Maske, den Metallstift und die beiden Flaschen heraus. Er öffnete eine Brennivín-Flasche, setzte sie gierig an den Mund und ließ den lauwarmen Inhalt die Kehle hinunterlaufen. Schon seit vielen Jahren spürte er dabei kein Brennen mehr im Hals.
    Er stellte die Flasche ab und nahm die Maske zur Hand. Das Material war erstklassig, dickes Schweinsleder mit doppelten Ledernähten aus Takelgarn. Auf derStirn hatte die Maske eine kreisrunde Öffnung von der Größe eines Ein-Kronen-Stücks, wo der Metallstift angesetzt werden konnte. Den Rand der Öffnung hatte er verstärkt, damit der Stift aus galvanisiertem Eisen Halt darin hatte. Seitlich waren Schlitze für die Lederriemen angebracht, die im Nacken verknotet werden mussten, und außerdem hatte die Maske Öffnungen für Augen und Mund. Der obere Teil reichte bis auf den Schädel hinauf, und das dort befestigte Lederband konnte mit den Riemen im Nacken verzurrt werden, damit die Maske fest saß. Genaue Maße hatte er nicht genommen, er hatte sie nach seinem eigenen Kopf angefertigt.
    Er nahm einen weiteren Schluck Brennivín und versuchte, das unterdrückte Wimmern zu ignorieren.
    Als kleiner Junge hatte er eine solche Maske gesehen, als er auf dem Land lebte. Die war allerdings aus Eisen gewesen und wurde im alten Schafstall aufbewahrt. Er durfte sie nicht anrühren. Heimlich hatte er es dann doch getan. Das Eisen war rostig und fühlte sich kalt an, und er sah verkrustete Blutflecken an der Öffnung für den Eisenstift. Und nur ein einziges Mal hatte er zugesehen, wie sie verwendet wurde, als der Bauer in einem Sommer ein krankes Kalb töten musste. Der Bauer war so arm, dass er nicht einmal eine Flinte besaß. Die Maske tat ihren Dienst, obwohl sie eigentlich zu klein für einen Kalbskopf war, denn sie war für Schafe gedacht, hatte der Bauer ihm erklärt. Dann nahm er einen großen Hammer zur Hand und schlug einmal kräftig gegen den Eisenstift, der im Kopf des Tieres verschwand. Es brach zusammen und rührte sich danach kaum noch.
    Ihm war es auf dem Land gut gegangen. Niemandhatte ihm

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