Daemonen des Lichts
Kopf und umklammerte die Lehne der Kirchenbank vor sich. »Noch mehr Seelen, die ihr heiliges Werk tun werden.«
Mein Herz schlug schneller, als ich in der Bank herumrutschte und den Hals reckte, um etwas zu sehen. Abermals ertönten Harfenklänge und der Chor fing wieder an zu singen. Die reinen, klaren Stimmen stiegen zu der hohen, gewölbten Decke empor. Langsam schritten drei Gestalten in himmelblauen Gewändern nach vorne und stellten sich mit dem Gesicht zur Gemeinde in einer Reihe auf: zwei Frauen und ein Mann. Ich entdeckte Beth auf Anhieb. Sie stand ganz links, ihr honigfarbenes Haar fiel ihr offen auf die Schultern. Ich blickte kurz auf den gewaltigen Fernsehschirm und sah, dass sie lächelte: ein strahlendes Lächeln, das sich wie ein Leuchtfeuer auf ihrem Gesicht ausbreitete. Doch ihre ungesunde Blässe und die dunklen Ringe unter ihren Augen bereiteten mir Sorgen.
Der Prediger verließ die Kanzel, schritt die kurze Reihe ab und nahm jeden Einzelnen von ihnen zur Begrüßung bei den Händen. Schließlich wandte er sich wieder der Gemeinde zu. Auf dem Bildschirm konnte ich erkennen, dass auf seinen Wangen Tränen glänzten, als er in sein Handmikrofon sprach: »Und jetzt, während unser geliebter Engel unsere neuen Mitglieder segnet, wollen wir unsere Gedanken den Engeln zuwenden und ihnen für ihre ewige Liebe danken.«
Unser geliebter Engel. In mir verkrampfte sich alles, während ich mich fragte, was als Nächstes passieren würde. Rundherum raschelte es, als die Menschen sich ins Gebet vertieften. Manche neigten den Kopf, manche schlossen die Augen. Ich für meinen Teil senkte meinen Kopf nur ganz leicht. Ich blinzelte durch meine Haare und behielt Beth ängstlich im Auge. Was, wenn sie gleich im Anschluss umgehend wieder hinausgeschleppt werden würde und ich nicht mit ihr sprechen durfte?
Eine erwartungsvolle Stille legte sich über die Kirche. Einige Minuten verstrichen. Beth schaute gespannt nach oben.
Und dann sah ich ihn.
Ein Engel war erschienen; ein herrliches Geschöpf aus blendend weißem Licht mit einem Heiligenschein und ausgebreiteten Flügeln. Mir blieb fast die Luft weg. Er war genau wie das Wesen, das ich in Beths Erinnerung gesehen hatte. Aber hier, in echt, direkt vor meinen Augen, leuchtete er so hell, dass es mich blendete. Seine Flügel öffneten und schlossen sich langsam, während er über den neuen Mitgliedern in der Luft kreiste. Dem Ausdruck in Beths Gesicht nach zu urteilen, hatte sie ihn ebenfalls gesehen. Mit kindlicher Freude strahlte sie den Engel an, als wäre er ein besonders prächtiges Weihnachtsgeschenk. Er sank zur Erde nieder und landete direkt neben ihr.
Mein Blick klebte an dem großen Bildschirm und ich erstarrte, als ich sein hochmütiges, schönes Gesicht erkannte. Es war derselbe Engel, den ich in Beths Erinnerung gesehen, dasselbe Wesen, das vor meiner Tür gestanden hatte. Der Engel raunte ihr etwas ins Ohr und sie nickte eifrig. Und dann griff er nach ihr mit Händen aus Licht und -
Ich saß wie versteinert auf meiner Bank, während mich das kalte Grauen übermannte. Was tat er denn da? Langsam wurde Beths Aura sichtbar. Der Engel hatte seine Hände tief darin vergraben und … schien sie irgendwie auszusaugen. Beths Energie sah sowieso schon ganz grau aus und war von einem trüben violetten Licht durchzogen. Jetzt, unter der Berührung des Engels, verblasste das Violett und verlosch. Ihr Energiefeld schien in sich zusammenzufallen wie ein Ballon, dem man die Luft herauslässt. Und Beth stand einfach nur da und lächelte.
»Nein«, flüsterte ich. Ich hatte es herausschreien wollen. Meine Fingernägel gruben sich in meine Tasche, während ich wild um mich blickte. Würde denn niemand eingreifen?
Die Frau neben mir sah nach vorne. »Bitte komm doch«, murmelte sie. »Bitte, heiliger Engel, komm und begrüße unsere neuen Mitglieder.«
Sie sah ihn nicht. Jäh wurde mir klar, dass ihn auch sonst niemand sah. Auf allen Gesichtern der ruhig vor sich hin lächelnden Gemeinde lag derselbe verzückte Ausdruck. Ich fing an zu zittern. Ich wollte den Gang hochstürzen und Beth diesem Ding entreißen, aber was würde der Engel dann mit mir anstellen? Und überhaupt, wie würden die anderen reagieren? Blankes Entsetzen angesichts meiner eigenen Hilflosigkeit breitete sich in mir aus.
Ich schluckte und verrenkte mich, um nach hinten zu dem dunkelhaarigen Typen zu sehen. Es durchfuhr mich heiß, als unsere Blicke sich trafen: Er beobachtete mich. Sofort
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