Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
die Schilderung seiner Identitäten fast unmöglich. Dieswar der Grund, weshalb mich eine Unruhe packte, als ich von Ihrem Buch Der gelbe Wind hörte. Es sei ein anderes Buch von einem Israeli über die Palästinenser. Es fehlte mir weniger die Beschreibung aus Sicht der Araber über ihre Lage unter der Besatzung oder als Bürger zweiter Klasse in Israel; wie Sie wissen, ist die Literatur der Palästinenser eine Pflichtlektüre eines jeden nicht nur fortschrittlichen Arabers.
Es fehlte mir auch nicht an schlechten israelischen Darstellungen der Palästinenser in der Literatur und vor allem in grässlich langweiligen Filmen. Es fehlte noch weniger an großen weißen Flecken in der israelischen Literatur dort, wo Palästinenser sein sollten. Doch ich hörte lobende Worte über Ihre humanistische Einstellung, und so machte ich eine gründliche Reise durch Ihr Buch.
Der gelbe Wind muss mit Sicherheit viele Israelis geschockt haben, weil Sie ihnen ein Bild des gegenwärtigen Unrechts zeigen, das sie sorgfältig verdrängt haben. Das tut jede Mehrheit auf der ganzen Welt gegenüber ihrer Minderheit.
Sie dosieren sehr geschickt und ohne jede Plumpheit die bittere Medizin, ohne die Hintertür zu vergessen, durch die der israelische Leser flüchten könnte, so z.B. Ihre absolute Zustimmung, dass nicht die Israelis den 67er Krieg angefangen haben (S.44), Ihre lyrischen Bilder von Gusch Emunim (S.54) und Ihr Urteil über einen Mann, dessen Haus in die Luft gejagt wurde (S.202). Mich stören diese Stellen weniger als die Tatsache, dass das Bild, das Sie von den Arabern zeichnen, nicht stimmt. Es ist nur eine Seite, nicht aber die Vielfalt eines durch eine uralte Zivilisation und unzählige Brüche geformten Menschen.
Genügen vielleicht sieben Perspektiven, um meinen alten Syrer zu durchleuchten, wie ich es oben geschildert habe, so braucht man das Zweifache an Perspektiven, um einen Palästinenserzu verstehen. Sie zeigen nur eine: den grollend leidenden Palästinenser. So gesehen haben Sie, wahrscheinlich ohne es zu wollen, aus den Palästinensern eine etwas aggressivere Variante des Onkel Tom gemacht. Die Palästinenser aber sind die Nachfahren eines Siegers, der einst ein Weltreich beherrschte. Ihre Gegenwart als ein Volk unter Besatzung spielt in ihrem Bewusstsein deshalb keine große Rolle, weil die Uhren der Araber eine Zeit mit gewaltiger Ausdehnung messen, in der die reale Zeit der Besatzung winzig und leicht zu verdrängen ist.
Sicher wurden die Palästinenser durch den Schock der Nakbah 1948, der Niederlage der arabischen Staaten 1967, des Blutbades von Amman 1971 und der Niederlagen im Libanon bis zur Vertreibung 1982 gelähmt, doch in ihrem Innern suchten sie nach einer Rache für ihre demütigende Gegenwart. Die Zukunft bot nicht gerade eine Zuflucht für die Palästinenser. Sie wurde immer düsterer. Die Vergangenheit blieb aber unangetastet paradiesisch, nur nicht für alle. Je jünger die Palästinenser wurden, umso homogen bitterer wurde ihre Vergangenheit: eine Kindheit und Jugend unter Besatzung und sonst gar nichts. Das machte ihnen die Gegenwart zur einzigen Alternative der Hoffnung. Das ist eine der Perspektiven, ohne die die Beschreibung eines Palästinensers nicht möglich wird.
Ich fragte mich oft beim Lesen Ihres Buches: Warum hat er nicht ein einziges Mal über den kulturellen Widerstand der Araber erzählt? Hatten Sie keine Möglichkeit in Israel oder den besetzten Gebieten gehabt, oder wollten Sie die Israelis damit nicht zu sehr schockieren? Mich befriedigen solche lapidaren Sätze nicht, die Araber würden den Israelis am besten widerstehen, wenn sie sich nicht ändern. Es stimmt auch nicht. Die Palästinenser verändern sich und ihre Umwelt, zuder Sie gehören. Sehen Sie, Ihr Buch ist ein Zeugnis der Veränderung, auch wenn es der Gegenwart der Palästinenser nicht gerecht wird. Vielleicht kann ich Ihnen das durch zwei Beispiele erklären:
– Ich treffe manchmal Araber aus Israel im Ausland. Ich bewundere sie, wie sie ihre Identitäten täglich zäh und fast selbstironisch verteidigen. Sie sind sehr witzig, auch wenn sie über die Repressalien der Polizei in Tel Aviv berichten. Es macht wirklich Spaß und ist bereichernd, ihnen zuzuhören. Nichts davon lese ich in Ihrem Buch.
– Eines Tages sah ich mir die Fernsehberichte aus der Westbank an: Soldaten marschieren hochbewaffnet. Sie sehen bestimmt nicht zufällig wie Rambo aus, doch an ihnen vorbei trippelt der Esel eines stolzen Bauern.
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