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Damon Knight's Collection 07 (FO14 )

Damon Knight's Collection 07 (FO14 )

Titel: Damon Knight's Collection 07 (FO14 ) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon (Hrsg.) Knight
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sanft: »Gut, gehen wir auf deiner Straße, so weit sie uns führt.«
    Er nahm ihre freie Hand und geleitete sie ins Wasser. Es war kalt, es war bitter kalt, und eine kalte Sonne aus dem Osten hinter ihnen glitzerte auf den Schaumwellen, die auf den Strand schwappten. Als sie den Anfang des Damms betraten, fühlten sich die Steine unter ihren Füßen fest an, und das Kind war in der Geborgenheit des Mantels wieder eingeschlafen.
    Als sie weitergingen, wurde der Sog der Wellen stärker. Die Flut kam herein. Die Brecher durchnäßten ihre Kleider, drangen kalt bis aufs Fleisch und ergossen sich über Gesicht und Haare. Sie erreichten das Ende seines Bauwerks. Ein Stück hinter ihnen erstreckte sich der Strand, dunkel silbern der Sand unterhalb der Klippen, und darüber erhob sich ein schweigender, blasser Himmel. Um sie herum wirbelten Wogen und Gischt, und vor ihnen lag die ruhelose See, der Golf, der große Abgrund, der Hades.
    Eine Welle stürzte über sie auf dem Weg zum Land, und sie schwankten; das Kind erwachte vom kalten Ansturm und weinte leise und jämmerlich, übertönt vom kalten, ewigen, brandenden Rauschen des Meeres in einer stetigen Wiederholung.
    »Oh, ich kann nicht weiter«, rief die Mutter, aber der Mann ergriff ihre Hand fester und sagte laut: »Komm weiter.«
    Erhobenen Hauptes wollte er den letzten Schritt von seinem Werk zu keinem Ufer tun, und da entdeckte er ein Schemen im westlichen Wasser gleiten, ein tanzendes Licht, ein weißes Flackern wie die Brust einer Schwalbe, die sich in die Morgensonne schwingt. Ihm war, als klängen Stimmen, lauter als die Stimme des Meeres. »Was ist das?« fragte er, aber ihr Kopf war zum Kind heruntergeneigt in dem Bestreben, sein Klagen zu beschwichtigen, den einzigen Laut, den sie über dem Rauschen der Wellen vernahm. Er blieb still stehen und sah das Weiße eines Segels, ein kleines, schaukelndes Licht über den Wogen, das auf sie zuhüpfte und auf das größere Licht in ihrem Rücken zustrebte.
    »Warte!« rief es von dem Schemen her, das auf den grauen Wassern schwamm und in der Gischt tanzte, »warte!« Die Stimme klang sehr süß, und als das Segel sich hoch über ihm auftürmte, erkannte er Gesichter und ausgestreckte Arme, und er hörte ihre Aufforderung: »Komm, komm in das Schiff, komm mit uns zu den Inseln.«
    »Halte dich fest«, sagte er zärtlich zu der Frau und ging den letzten Schritt.

Die zweite Inquisition
 
(Joanna Russ)
     
     
    If a man can resist the influences of his townfolk, if he can cut free from the tyranny of neighborhood gossip, the World has no terrors for him; there is no second inquisition.
    John Jay Chapman
     
    Wenn ein Mensch sich den Einflüssen seiner Mitbürger widersetzen kann, sich freimachen von der Tyrannei des Geredes der Nachbarn, dann birgt die Welt für ihn keine Schrecken mehr; es gibt keine zweite Inquisition,
     
    Ich habe unseren Gast oft beim Lesen im Wohnzimmer beobachtet, wenn sie unter der Stehlampe neben dem neuen Thilco-Radioschrank saß, die langen, langen Beine vor sich ausgestreckt; der Lichtkreis der Lampe fiel auf das Buch und ließ wenig von ihrem Gesicht erkennen: ein bräunlicher, fast kupferschimmernder Teint und so ausgeprägte Gesichtszüge, als wäre sie eine Mißgeburt, dazu rotglänzendes, schwarzes Haar, so kraus und ungebärdig, daß es wie die Putzwolle wirkte, mit der meine Mutter Töpfe und Pfannen scheuert. Sie las sehr viel jenen Sommer. Wagte ich mich unter dem Türbogen hervor, wo ich mich nicht eigentlich versteckte, sondern mehr im Schatten hielt, um ihr zuzusehen, dann hob sie oftmals das Gesicht und lächelte schweigend in meine Richtung, ehe sie sich wieder ihrem Buch zuwandte; vom Licht getroffen, wurde ihre Haut dann seltsam bleich. Manchmal stand sie auf und stakste mit der Anmut eines Storchs in die Küche, um etwas zum Essen zu holen; aufgerichtet stieß sie fast an der oberen Türkante an, und wie eine Spinne stelzte sie auf den langen Beinen, schlenkerte mit den dürren Armen, und dazwischen wirkte ihr Körper unproportioniert klein geraten, wie es oft bei sehr großen Menschen der Fall ist. Mit beträchtlicher Aufmerksamkeit blickte sie von großer Höhe auf die Schüsseln und Teller meiner Mutter herab, stellte an mich ein paar komische Fragen, beugte sich über das ausgewählte Gericht, über dem sie ein paar Augenblicke wie eine Giraffe meditierte, ehe sie sich wieder in ihre himmlische Höhe aufrichtete, die Schüssel in der Hand, deren Finger sich wie

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