Damon Knight's Collection 10 (FO 19)
was sie jetzt denken. Sie haben Angst vor mir, vor Leuten wie mir. Siehst du, Menschen mit hoher künstlerischer Begabung besitzen meist nicht die Gene für ihr RNA. Einige, aber nicht genug. Es bereitet ihnen Sorgen.“
„Mit wem hast du dich unterhalten?“
„Martie, du weißt, wo ich meine Zeit verbringe.“ Sie lachte. „Es ist schön, wieder daheim zu sein, nicht wahr?“ Um den Kamin war es hell und gemütlich, während Schatten den Rest des langgestreckten Raumes erfüllten. „Natürlich, wenn man bedenkt, daß nicht mehr als etwa fünfundzwanzig Prozent der Bevölkerung das RNA vertragen, dann überrascht es kaum, daß nur wenige mit ausgeprägt schöpferischen Fähigkeiten darunter sind. Aber das Traurige ist, daß diese wenigen, die als Schriftsteller, Maler oder sonst etwas arbeiten, ihr Werk nicht mehr fortzusetzen scheinen, sobald sie wissen, daß sie unsterblich sind. Werden Frauen in Zukunft Kinder zur Welt bringen wollen, wenn sie wissen, daß sie auch so bereits unsterblich sind?“
„Ich weiß nicht. Du glaubst, daß der Mutterinstinkt nichts anderes ist als der Drang, sich auf Umwegen Unsterblichkeit zu verschaffen?“
„Warum nicht? Wird wahrer Instinkt durch eine oder zwei gute Mahlzeiten, Geschlechtsakte oder was immer es sein mag, gestillt? Frauen hingegen scheinen zufrieden zu sein, sobald sie ein bis zwei Kinder haben.“
„Wenn das stimmt, dann stirbt die Rasse aus, was auch geschieht. Wenn Frauen keine Kinder wollen, besser gesagt, wenn sie diesen Trieb nicht befriedigen müssen, dann ist alles nur eine Frage der Zeit. Wir haben die Mittel, eine Schwangerschaft zu verhüten, weshalb also sollten sie weiterhin empfangen?“
„Weil etwas anderes die Kinder braucht, die ständig wechselnde, erneuernde Phantasie, die nur Kinder besitzen. Nicht wir, nicht ich. Etwas anderes. Das Ding, das hinter uns steht, durch uns lernt. Du hast die Bücher. Du hast alles über Psychologie gelesen, was dir in die Finger kam. Der beste Ausdruck dafür wäre wohl das kollektive Unterbewußtsein.“
„Jungs kollektives Unterbewußtsein“, murmelte Martie. „Du weißt, einige Wissenschaftler, Philosophen, Künstler arbeiten sich schnurstracks einen hell erleuchteten Pfad entlang, ohne je davon abzuweichen. Darwin zum Beispiel. Skinner. Andere geraten dagegen an den Rand, so daß sie die Hälfte der Zeit in den grauen Zonen sind, wohin ihnen das Licht nicht folgt, wo man nie weiß, ob Wahnsinn oder Genialität die Feder lenkt. Jung verbrachte die meiste Zeit an dieser Grenze, manchmal im Licht, manchmal im Schatten. Sein kollektives Unterbewußtsein, das Hirngespinst eines Mannes, der es nicht ertragen konnte, daß zu seinen Lebzeiten Geheimnisse ungelöst blieben.“
Julia stand auf und streckte sich. „Himmel, bin ich müde. Höchste Zeit zum Baden.“ Martie ließ es jetzt nicht mehr zu, daß sie allein in die Wanne stieg. „Martie, wenn es so etwas gibt, und ich glaube daran, ich glaube ganz fest daran, dann ist es gefährdet. Es braucht die ständig wechselnden Ansichten der Menschheit, um das Universum zu erfassen. Eine Billion Erfahrungen, eine Trillion, wer weiß, wie viele es benötigt, bevor es fertig ist. Es wurde mit der Menschheit geboren, es ist mit der Menschheit gewachsen, es reift im gleichen Rhythmus wie der Mensch, und wenn die Menschheit stirbt, so ist das auch sein Untergang. Wir sind seine Reizempfänger. Und was Wymann und die anderen vorschlagen, bedeutet seinen Tod, letzten Endes auch ihren Tod. Es speist das Unterbewußte, gibt ihm seine Träume und gelegentlich seine genialen Gedanken. Ohne es ist der Mensch ein Tier unter vielen, geschickt vielleicht mit seinen Händen, aber ohne den Traum, dem er entgegenstrebt. All unsere Sonden gehen in den Raum, in die Tiefe der Meere, so wenige nach innen. Wir sind so geizig, wenn es darum geht, das größte Geheimnis von allen zu erforschen, das potentiell lohnendste.“
Sie nahm ihr Bad, und er half ihr aus der Wanne, trocknete ihr den Rücken ab und kremte ihn ein. Er deckte sie sorgfältig zu, als sie im Bett lag. „Komm schlafen, Martie“, sagte sie lächelnd. „Bitte.“
„Bald, Liebling. Ich bin noch zu – rastlos.“
Als er ein paar Minuten später nach ihr sah, schlief sie fest. Er rauchte, trank, wanderte auf und ab, wie er es jede Nacht tat. Julia war wie eine Besessene. Er verzog das Gesicht bei diesem Wort. Sie arbeitete vom Morgengrauen bis spät abends, wenn er sie zum Aufhören zwang. Er kochte,
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