Damon Knights Collection 5
große und kleine, hungernd und bald verrückt vor Durst, fast als sei das ihre Strafe, weil sie die Menschheit überlebt hatten.
Erst jetzt wurde ihm etwas anderes klar – was geschah mit all den Millionen von Haustieren, die in den Häusern ihrer verschwundenen Besitzer in der Falle saßen? Hunde und Katzen, die die Eisschränke und die Dosen in den Speisekammern nicht öffnen konnten. Einige würden in der Lage sein, Trockenfutterpakete aufzureißen, und lernen, von tropfenden Wasserhähnen und aus Toilettenschüsseln zu trinken. Damit würden sie ihr jämmerliches Leben aber auch nur um wenige Tage verlängern können.
Was sollte er nur mit den Haustieren tun? Was konnte er tun? Sollte er durch die Stadt laufen und sie herauslassen? Wo sollte er anfangen? Sollte er alle jene befreien, die in Häusern auf der Nordseite ungerade numerierter Straßen lebten? Oder besser jene aus den Erdgeschoßwohnungen in allen Straßen, deren Namen mit Konsonanten begannen? Was gab es da für Regeln? Wie spielt man Lieber Gott?
Er entschloß sich, Siss nichts davon zu erzählen. Er wollte nicht, daß ihr Herz über einer Milliarde zum Sterben verdammter Tiere brach; sie hatte genug mitzumachen.
Aus seinen Aufzeichnungen:
Wie soll ich den heutigen Tag nennen? Rolfetag? 13. Sissuar? Jahr Null?
Hätte aufpassen sollen, habe aber wirklich keine Ahnung, wie viele Tage vergangen sind, seit ich aus Bills Kellerloch herausgekrochen bin und entdeckte, daß ich nunmehr die Hälfte der menschlichen Bevölkerung darstelle.
Siss gefragt. Sie erinnert sich. Seit dem Weltuntergang sind genau 11 Tage vergangen. Sie zählt jeden einzelnen.
Mehr, als ich fertigbrachte. Nach den ersten drei Tagen fing es an, ineinander überzugehen.
Gut, dann haben wir eben den 11. Sissuar im Jahre Eins, Anno Rolfe. Irgendwer muß schließlich die Buchführung übernehmen.
Wie viele Tage soll der Sissuar haben? Mal sehen. Muß den zweiten Monat taufen, bevor der erste zu Ende geht.
Es fiel ihm schwer, zurückzublicken und sich zu erinnern, wann er zum ersten Male klar erkannt hatte, daß das hier die Frau war, mit der er bis zum Ende seines Lebens zusammenzuleben hatte, wann es ihm gedämmert hatte, daß diese Schwachsinnige seine engste Gefährtin sein mußte, daß er sie zu behüten und zu versorgen hatte, daß er mit ihr sprechen mußte (und ihr auch zuhören), ihre dummen Fragen beantworten sollte und daß er mit ihr schlafen würde.
Die Erkenntnis mußte ihn etwa zu der Zeit getroffen haben, als er die ersten Magenbeschwerden registrierte. Es waren keine Schmerzen, sie glichen eher einem steten Nagen an den Quellen seines Wohlbehagens, die Bewegung einer feindlichen Kneifzange, die ihn dort festhielt, wo er nicht sein wollte, mit jemandem zusammen, mit dem er nicht zusammen sein wollte, eine bleierne Last, die seine Freiheit erdrückte.
Einige ihrer Eigenschaften brachten ihn fast um seinen Verstand. Er war wohl überempfindlich, wie er meinte, mußte aber stets die Lippen fest zusammenkneifen und versuchen, die Ohren zu verschließen, wenn sie ein Niesen in ein deutliches »Ah tschuh!« verwandelte und auf seine guten Wünsche wartete.
Schlimmer noch, da häufiger, war ihr hörbares Stöhnen, wann immer sie etwas aufhob, vor sich herschob oder umhertrug. Damit ließ sie ihn wissen, wie hart sie arbeitete, für ihn. Nach einer Weile zwang er sich dazu, sie bei diesen Gelegenheiten zu loben – ihren Fleiß, ihre Kraft, ihre Selbstlosigkeit –, und da hörte sie auf mit diesem Lärm. Er schalt sich selbst einen Heuchler und war sicher, daß sie ihn durchschaute, was sie aber nie tat, und schließlich gehörten seine übertriebenen Lobsprüche zum Alltag. Es half ihm später weiter, als er sich gezwungen sah, ihr Notlügen über seine Zuneigung für sie zu erzählen und sie seiner Achtung zu versichern.
Aus seinen Aufzeichnungen:
Fragte Siss, ob sie jemals ein Buch gelesen habe, und sie sagte o ja, die Heilige Schrift. Teile davon. Offensichtlich behagte ihr das in früheren Tagen mehr. Da hat sie wohl zwei Bücher ganz durchgelesen – Heidi und Japanische Märchen, und Teile aus einem Tarzan-Band. Manchmal schaute sie auch in die Zeitungen – las Comics, die Fernseh-Programme, die Horoskope, Bildunterschriften. Der Himmel bewahre uns für immer vor einem Gespräch über Literatur.
Um fair zu sein, ich habe mich bemüht, mir die letzten 10 Bücher in die Erinnerung zurückzurufen, die ich vor dem Weltuntergang las. Das
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