Dante Valentine 02 - Hoellenritt
dass Dämonen, wenn sie unsere physische Ebene aufsuchen, sich einen physischen Körper zulegen und sich deshalb auch Verletzungen zuziehen können. (Adrienne Spocarelli bemerkte dazu in ihrem berühmten Aufsatz Was hat Fleisch damit zu tun? ironisch, dass ein Thermonuklearangriff vielleicht sogar einen Dämon töten könnte. Mit sehr viel Glück.)
Erst als Spocarelli eine verlässliche Methode fand, Imps anzurufen und unter Kontrolle zu halten, erhielten wir Antworten auf diese Fragen. Spocarelli behauptet, sie sei in der Lage gewesen, innerhalb eines magischen Kreises einen Imp dazu zu bringen, auf den Hartholzboden in ihrem Studienzimmer auf merikanisch etwas zu schreiben. Angeblich kratzte der Imp als Antwort auf ihre vorsichtig formulierten Fragen mit seiner Klaue ein oder zwei Worte hinein. Das vollständige Transkript klingt wie eine Unterhaltung zwischen einem Anwalt und einem ungezogenen Fünfjährigen; dennoch lassen sich daraus einige wichtige Schlüsse ziehen.
Zunächst kann man festhalten, dass Dämonen, woher auch immer sie kommen mögen, dort genauso körperlich existieren wie hier. Viel Tinte und viel Schweiß sind geflossen beim Versuch festzulegen, woher sie nun tatsächlich kommen, von einer anderen Ebene, einer anderen Dimension, einem anderen Planeten oder einfach einem anderen Seinszustand. Spocarellis revolutionärste Tat war die Erklärung, es kümmere sie nicht, woher sie kommen, sie wolle lediglich herausfinden, inwiefern sie unsere Heimatebene und unseren Heimatplaneten beeinflussen – und warum sie daran offenbar so verdammt großes Interesse zeigen. Als körperliche Wesen scheinen sie zunächst nur Naturgesetze zu verletzen. In Wirklichkeit jedoch könnten sie aus einem Stoff bestehen, der allein aufgrund ihres wesentlichen Andersseins anderen Gesetzen unterliegt. Und dennoch gelten auch für sie bestimmte Gesetze. Mit anderen Worten: Nur weil die Gleitertechnik das Erdöl ablöste, bedeutet das nicht, dass eins von beiden gegen die Naturgesetze verstößt. Und nur weil Dämonen die Menschen in der Technologie der Magik überholt haben, heißt das nicht, dass Menschen oder Dämonen gegen die Naturgesetze verstoßen.
Spocarellis zweite große revolutionäre Erkenntnis ist so simpel, dass sie offensichtlich erscheint, und sie ergibt sich als logische Konsequenz aus der ersten. Während andere Fachleute auf die Verlogenheit der Dämonen mit gehöriger Empörung und missbilligender Arroganz herabsahen, unterstrich sie, dass die dämonische Kultur sich so sehr von unserer unterscheiden könnte, dass ihre „Verlogenheit“ nichts anderes sein könnte als ein anders geartetes Regelwerk sozialer Interaktion. Wenn sie körperlich empfindsame Wesen sind, verfügen sie über eine Kultur. Und dann gibt es vielleicht auch ein Verbot für etwas, das sie als „lügen“ definieren. Aber einmal jedes verbale Spiel mit dem Feuer auf beiden Seiten außer Acht gelassen: Spocarelli erklärte, sie wolle herausfinden, wie und warum Dämonen anscheinend nach Kontaktaufnahme mit Menschen süchtig sind; und dass es sich lohnen könnte, anthropologische und archäologische Hilfsmittel im Umgang mit der Gattung Dämon ebenso einzusetzen wie die Theorie der Magik.
Die Auswirkungen dieses einfachen Vorschlags können gar nicht groß genug eingeschätzt werden. Mit einem Streich entledigte sich Spocarelli jeder noch verbliebenen abergläubischen Verehrung der Dämonen und reduzierte sie auf das Niveau von Geschöpfen, die man mit wissenschaftlichen Techniken erforschen kann. Zudem ermöglichte sie es gegen den erbitterten Widerstand vieler reaktionärer Kräfte, die Magi von bloßen Bittstellern zu machtvollen Verbindungsleuten zu dämonischen Wesen aufzuwerten.
Der nächste Punkt, der aus Spocarellis Aufzeichnungen der Antworten des Imps gefolgert werden kann, ist der: Dämonen sind von Menschen ebenso fasziniert wie wir von ihnen.
Obwohl Spocarelli oft über Bemerkungen zur dämonischen Beteiligung an der menschlichen Evolution spottete, schloss sie dies dennoch nie völlig aus. Auch in dieser Beziehung ist sie utilitaristisch. Wie die Beteiligung der Dämonen bei der Gestaltung des menschlichen Gencodes ausgesehen haben mag, ist an dieser Stelle irrelevant. Wichtig ist, dass sie von der Menschheit gleichzeitig verzaubert und abgestoßen sind, und zwar im selben Ausmaß wie die Nichtvren. Aber während die Nichtvren den Vorteil haben, früher einmal Menschen gewesen zu sein, fehlt diese Eigenschaft den
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