Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Dämonen. Weshalb aber sind sie dann so fasziniert von uns?
Selbst Quellen aus der Zeit vor dem Großen Erwachen (Caplan, Perezreverte, Saint Crowley, Saint Goethe und der anonyme Verfasser der Illuminati-Papiere, um nur ein paar zu nennen) belegen übereinstimmend, dass Dämonen äußerst besitzergreifend und herrschsüchtig sind. Ein Mensch, der die Aufmerksamkeit eines Dämons einmal erregt hat, wird sich unerwünschter Einmischung nur schwerlich erwehren können. Sogar Spocarelli selbst hatte wohl allerhand Ärger mit einem bestimmten Dämon, obwohl die Aufzeichnungen hierüber bestenfalls oberflächlich sind und sich mit Legenden über andere Mitglieder ihrer berühmten Familie vermischen.
Perezreverte setzt in seinem klassischen Werk Neun Pforten als gegeben voraus, dass Dämonen nach Beweihräucherung durch Menschen gieren, ja dass sie sich davon irgendwie ernähren. Das ist nachvollziehbare Magiktheorie und stellt eine gute Arbeitshypothese dar, auch wenn Dämonen mutmaßlich schon vor dem Aufkommen der menschlichen Gattung über Mittel der Psinergiegewinnung verfügten. Perezreverte scheint ferner anzunehmen, dass Dämonen einsam und zeitweise gelangweilt von der eigenen Spezies sind und sich deshalb der Menschheit zuwenden, mit anderen Worten: um ein wenig Zerstreuung zu finden. Außerdem billigt er offenbar den alten Sagen der Marktweiber einige Glaubwürdigkeit zu, obwohl die bloße Erwähnung dieses Mythos in der Regel reicht, um bei Magi Frustrationsanfälle auszulösen. Mit Dämonen umzugehen ist schwer genug. Dieses Thema muss man wirklich nicht auch noch mit offenkundigen Fälschungen zusätzlich verwässern.
Insofern sollten wir einen wichtigen Punkt nicht vergessen: Wir wissen schlicht und ergreifend nichts über dämonische Beweggründe. Sie sind eifersüchtig und besitzergreifend, sobald sie sich dazu herablassen, von der Menschheit Notiz zu nehmen, und die Zirkel, die mit der niederen Schar der Dämonen arbeiten, merken häufig an, dass ein oder zwei Magi innerhalb des Zirkels mit besonderer positiver oder negativer Aufmerksamkeit bedacht werden, oftmals mit nahezu katastrophalen Auswirkungen auf den Gruppenzusammenhalt hinsichtlich des Magikwillens, der notwendig ist, um einen Dämon unter Kontrolle zu halten (sofern man davon überhaupt reden kann).
Die logische Erweiterung dieses Gedankenmodells ist die vertiefende Prüfung von Berichten über das Verhalten von Dämonen, besonders von Fällen, in denen sich Dämonen an bestimmte Menschen hängen, sei es als Vertraute oder als Nemesis. Viele Magi-Zirkel berichten von positiven Ergebnissen im Umgang mit Imps und bestimmten niederen Dämonen, nachdem sie deren Verhalten mittels anthropologischer, kultursensibler Richtlinien untersucht hatten. Die Menge der Informationen über Anatomie und Hierarchie der Dämonen hat sich seit Adrienne Spocarellis Tagen verfünffacht, und die Zahl der Nachweise schwerer Belästigung ist offenbar rückläufig. Dies muss allerdings noch gar nichts beweisen, denn Zirkel melden schändliche Fehlschläge nur sehr ungern, und von Dämonen tatkräftig belästigte Magi leben nicht lange genug, um von ihrer Erfahrung berichten zu können.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Gemeinschaft der Magi seit dem Großen Erwachen genug Daten zusammentragen konnte und die Zeit reif war, dass jemand – anders als vor dem Erwachen – ein paar Gesetze zum vorurteilsfreien Umgang mit Dämonen in Worte fasste. Genie besteht oftmals darin zu sehen, was es vorher gab, eine Fähigkeit, über die Spocarelli offenbar im Übermaß verfügte. Andererseits hat ihr Utilitarismus ihr auch ernste Kritik eingebracht, vor allem seitens des harten Kerns von Akademikern, die der Ansicht waren, sie habe das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und zudem nicht die nötige Vorsicht walten lassen. Dennoch muss man anerkennen, dass Spocarelli ein sehr viel höheres Alter erreichte, als der statistische Durchschnittswert für Magi erwarten ließ, die ohne den Rückhalt einer Gruppe aktiv mit Dämonen verkehren. Irgendetwas muss sie also richtig gemacht haben.
Wir wissen noch nicht, was die Dämonen an Menschen so fasziniert oder ob sie im Grunde ihres Herzens menschlichen Belangen freundlich oder feindlich gesonnen sind. Die Skala der Meinungen reicht von übervorsichtigen Magi alter Schule, die glauben, man müsse extreme Vorkehrungen ergreifen, um die Masse der Menschen vor dem Geschlecht der Dämonen zu schützen, bis zu jenen, die
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