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0610 - Die Macht der Schlange

0610 - Die Macht der Schlange

Titel: 0610 - Die Macht der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Ein Dreivierteljahr später, ein anderer Ort:
    Es war ein Gewühl aus buntgekleideten Menschen. Da waren auch die feilschenden Händler, und auf dicht aneinander gereihten Tischen wurde unzähliger Krimskrams feilgeboten, manchmal auch auf dem Boden, wenn es für einen Stand nicht reichte. Dann das Stimmengewirr und die hier und da erklingende Musik. Oder das Gemisch aus tausenderlei Düften von Imbißständen aller Art…
    Das alles hatte Dany schon immer fasziniert. Auch heute stürzte sie sich wieder begeistert in das organisierte Chaos.
    Den Walkman trug sie am schmalen Gürtel der Shorts, die Kopfhörer hatte sie in die Ohrmuscheln gesteckt, das Geld verbarg sie in einem Beutel unter dem T-Shirt, und eine Umhängetasche hatte sie über die Schulter gehängt. Sie suchte eigentlich nichts Bestimmtes, wollte sich nur treiben lassen.
    Manchmal fand sie zufällig etwas, von dem sie vorher noch nicht gewußt hatte, wie dringend sie es benötigte. Manchmal bestaunte sie auch einfach nur die ›Waren‹ oder wunderte sich kopfschüttelnd darüber, mit welcher Beharrlichkeit diese Leute jede Woche versuchten, praktisch unverkäufliche Dinge zu verkaufen.
    Es waren oft Reste von mehr oder weniger erfolglosen Haushaltsauflösungen, meistens Schmuck, handgefertigte Textilien, Sammlerobjekte. Und zuweilen auch absoluter Schrott.
    Einmal hatte Dany eine Puppe wiedergefunden, die sie selbst einmal besessen hatte. Da war sie noch ein Kind gewesen - vier oder fünf Jahre alt. Sie konnte sich noch sehr gut erinnern.
    Ihre Tante, bei der sie nach dem Unfalltod ihrer Eltern aufgewachsen war, war der Ansicht gewesen, Dany sei unartig gewesen - und hatte ihr die Puppe weggenommen. Offenbar hatte sie niemals die Absicht gehabt, sie dem Kind später zurückzugeben, und vor einem Jahr tauchte genau diese Puppe dann direkt vor Danys Stupsnase auf einem Flohmarktstand auf, schon etwas zerkratzt und mit fremdem, zerschlissenen Kleid und ziemlich ausgeleierten Armen und Beinen.
    Aber an einem bestimmten Merkmal, das sie selbst einst angebracht hatte, erkannte Dany die Puppe auch nach über einem Dutzend Jahren sofort wieder.
    Keine Frage, daß sie die Puppe sofort kaufte und nicht einmal um den Preis feilschte.
    Aber der Triumph, sie ihrer Tante zu zeigen, der blieb ihr nicht vergönnt.
    Tante Elfy, das schnippische, einst weißblonde Biest, war ein paar Wochen vorher - und für Danys Begriffe viel zu friedlich - zur Hölle gefahren. Sie bemühte sich jetzt wohl redlich, den Teufel zu schikanieren.
    Vor einem der Stände blieb Dany stehen. Fasziniert betrachtete sie die Schlange, die keine Schlange war.
    Die kleine Figur war lang und beinlos, wand sich vielfach um einen Totenkopf, der über einen Mini-Sockel aufragte und dessen Schädeldecke fehlte. Das machte das vielleicht tassengroße Gebilde zu einem bizarren kleinen Gefäß.
    Die seltsame Schlange trug einen gezackten Rückenkamm, und der Kopf war langgestreckt wie der eines Krokodils. Oder eher eines Sauriers, mit unzähligen spitzen Zähnen, einem Haifisch gleich. Von jeder freßgierigen Bestie, die Mutter Erde bisher hervorgebracht hatte, schien diese Schlange ein Stückchen abbekommen zu haben.
    Das wäre doch glatt was für Franco, dachte Dany. Der sammelt doch solche verrückten Dinge.
    Franco erschien ihr manchmal selbst ein bißchen verrückt, wenn er auf ›Schwarze Magie‹ machte und selbst beim Kaffeekochen irgendwelche selbsterdachten Zaubersprüche murmelte. Aber er war zärtlich, und er hatte Dany noch nie im Stich gelassen.
    Im Gegenteil, wenn sie ihn brauchte, ließ Franco alles liegen und stehen, um ihr zu helfen, stellte sogar seine eigenen Probleme ganz hintenan.
    Dany konnte mit ihm lachen und weinen. Und - erfreulicherweise sah er auch noch unverschämt gut aus.
    Manchmal fragte sie sich, warum sie nicht eine gemeinsame Wohnung nahmen. Denn in Tante Elfys Behausung wollte sie nicht mehr bleiben. Da waren zu viele Erinnerungen an eine Kindheit, die ihr durch die gestrenge und oft recht boshafte Tante verleidet worden war.
    Aber da war all dieser Horror-Krimskrams, den Franco sammelte und für den Dany sich nicht so recht erwärmen konnte. Sie mochte so etwas nicht tagtäglich um sich haben, aber sie wollte Franco auch nicht dazu zwingen, sein Hobby aufzugeben.
    Doch diese Figur wollte sie ihm schenken. Falls sie nicht zu teuer war.
    Sie fragte nach dem Preis.
    Der turbantragende Mann hatte ihr Interesse bereits bemerkt.
    Eifrig und etwas holperig erklärte er in

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