Dark Desires: Im Bann der Unsterblichkeit
er sehr gründlich über sie nachgedacht. Der ironische Unterton saß dafür perfekt.
Jesse hob in gespielter Ernsthaftigkeit die Hand.
„Kein Kommentar.“ Er trank einen Schluck Tee und schüttelte danach amüsiert den Kopf.
„Was ist?“ Devon musterte ihn verwundert.
„Ich sitze in einem Café und unterhalte mich mit einem Vampir über Alterserscheinungen. Das ist absurd!“
„Du glaubst mir nicht.“
„Ich weiß nicht“, gab er ratlos zurück. „Ja, nein.“
Devon schob wortlos den linken Ärmel seines Hemdes hoch und streckte ihm den nackten Unterarm entgegen.
„Such den Puls.“
Jesse zögerte. Wenn er Devon berührte und kein Zeichen von Leben fand, würde alles wahr sein. Danach gab es kein Zurück mehr. Gleichzeitig war er unglaublich neugierig, wie sich ein Vampir anfühlte. Also streckte er die Hand aus und berührte zaghaft Devons Unterarm. Die Haut fühlte sich kühl und leicht wächsern an. Nicht unangenehm, bloß anders. Einen Pulsschlag fand Jesse nicht, so sehr er auch nach dem rhythmischen Pochen suchte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und er zog die Hand zurück.
„Hier.“ Devon holte ein Taschenmesser hervor und legte es auf den Tisch.
Ein flaues Gefühl breitete sich in Jesses Magen aus.
„Was soll ich damit?“
„Benutze es.“
„Was?“
Als er der Anweisung nicht nachkam, klappte Devon selbst die längere der beiden Klingen aus. Bevor Jesse protestieren konnte, setzte er das Messer an seinem linken Handgelenk an und zog es ohne eine Miene zu verziehen bis zum Ellenbogen hoch. Die Klinge drang tief ins Fleisch ein. Dunkles Blut lief über Devons Arm.
„Stopp!“ Jesse presste entsetzt die Hände auf die Wunde. „Bist du verrückt?“
„Sieh nach“, gab Devon ungerührt zurück.
„Was?“ Jesse starrte ihn entgeistert an.
„Sieh nach.“
Er nahm zögernd eine Hand von Devons Unterarm. Der Schnitt war verschwunden! Keine Spur von einer Verletzung! Er beobachtete ungläubig, wie Devon sich mit einer Serviette das Blut vom Arm wischte, die Klinge säuberte und das Taschenmesser wieder einsteckte. Danach sah Devon ihn ruhig an.
„Beweis genug?“
Jesse schaute auf seine blutverschmierten Hände, auf Devons unversehrten Arm und nickte mechanisch.
Peta blinzelte verschlafen und kuschelte sich tiefer in die Kissen. In ihrem Kopf herrschte eine wunderbare Leere. Sie wollte für immer hier liegenbleiben. In dem warmen, weichen Bett, das nach Richard roch. Richard.
Die Gedanken kamen zurück und mit ihnen unweigerlich die Erinnerungen. Peta öffnete die Augen und richtete sich halb auf. Der breite Sonnenstreifen neben dem Bett war verschwunden und das Zimmer merklich dunkler geworden.
Wie spät war es? Sie drehte die Uhr auf dem Nachttisch herum. Kurz nach halb sechs. Bald ging die Sonne unter. Als sie die Hand zurückzog, blieb sie mit dem Ärmel an etwas hängen, das hinter dem Möbel steckte. Es sah aus wie ein Stück Pappe. Sie zog daran und hielt einen flachen braunen DIN-A4-Umschlag in der Hand. Er war zugeklebt und ohne Aufschrift. Peta schlug die Bettdecke zurück und setzte sich auf. Im Umschlag rutschte etwas hin und her. Sollte sie? Peta kaute unschlüssig auf ihrer Unterlippe. War der Umschlag rein zufällig hinter den Nachttisch gerutscht? Befand sich eine Überraschung darin? Ihr sechsundzwanzigster Geburtstag rückte näher. Richard hatte ein paar Mal angedeutet, dass er ihr ein ganz besonderes Geschenk machen wollte. Würde er wütend werden, wenn sie den Umschlag öffnete? Peta lachte bitter. Richard hatte jetzt andere Sorgen. Mit dem Fingernagel hob sie eine Ecke der selbstklebenden Lasche an und zog sie vorsichtig zurück. Ein Stapel Fotografien rutschte heraus. Peta betrachtete sie erstaunt. Auf den ersten Blick schienen es Alltagsszenen zu sein: Menschen, die an Ampeln warteten, in Autos oder vor Cafés saßen, aus Einkaufszentren kamen. Dann fiel ihr etwas an der Art der Aufnahmen auf. Der Fotograf hatte diese Menschen beobachtet. War es ein Auftrag gewesen, von dem sie nichts wusste? Warum hatte Richard es ihr verschwiegen? Das letzte Foto zeigte einen Kinderspielplatz. Sie stutzte und sah genauer hin. Etwas abseits von den anderen Kindern saß ein blonder Junge auf einer Schaukel.
„Nicholas?“, flüsterte sie erstaunt.
Ohne Zweifel, es war Richards Sohn. Sie kannte Nicholas und Bonnie, Richards Ex-Frau, lediglich von einem Foto und aus Erzählungen. Die Scheidung war langwierig und hässlich gewesen. Am Ende hatte Richard
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