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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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alle«, lächelte er.
    Gemma stand nah bei den beiden, eine Hand auf Keikos Rücken, eine auf Fidelios Brust, und zum ersten Mal, seit sie das Labor betreten hatte, fielen ihr die Proben und das mögliche Ergebnis wieder ein. Zumindest Fidelio hatte nun alles, was er wollte, wenn sie seinen entspannten und zufriedenen Gesichtsausdruck richtig deutete. Jetzt war es an der Zeit, die beiden allein zu lassen, damit sie sich noch näher kommen, aber auch ihre Arbeit tun konnten.
    Gemma zog sich an, ließ sich von Keiko das Korsett wieder schnüren, überlegte laut, ob sie jetzt trotzdem zum angeblichen Geburtstagskind Dr. Werner ins zweite Obergeschoss gehen sollte, entschied sich dagegen, sammelte ihre Vibratoren ein, gab den beiden einen Kuss und verabschiedete sich. Keiko und Fidelio blieben nackt auf der Liege sitzen und schienen so vertraut miteinander, dass Gemma sich fragte, ob sie bisher wirklich nur seine Kollegin gewesen war und nichts von Gemmas Besuch gewusst hatte. Letztendlich war es auch egal. Sie hatte ihren Teil der Vereinbarung erfüllt, jetzt war Fidelio am Zug. Er würde ihr Gewissheit verschaffen. Und während sie die Tür aufschloss und durch das Gebäude zum Ausgang stöckelte, sagte sie zu sich selbst: »Frag nie etwas, dessen Antwort du nicht erträgst.«
    *    *    *
    Püppi betrat Gemmas Wohnung mit seinem eigenen Schlüssel und rief noch im Flur: »Ich hoffe, es ist wichtig. Sie haben mich aus einer sehr privaten Situation herauskommandiert.«
    Die Grinsekatze saß auf einem Fensterbrett und hörte mit geschlossenen Augen zu, wie Quälius in der Küche hantierte. Sie hatte ihn gebeten, diesmal Poffertjes zu backen mit frisch gekochtem, zuckerfreiem Apfelmus. Obwohl sie spürte, wie enttäuscht er war, dass sie es ihm erstens nicht befohlen hatte und ihm zweitens die Hausarbeit auch nicht mit kleinen Piesackereien versüßen würde, hatte er sich gefügt. Sie war einfach zu müde und zu angespannt, um ihn herumzuscheuchen und sich Erziehungsspielchen für ihn auszudenken.
    Püppi legte ihr eine Decke über die kalten Füße, und sie berührte kurz seinen Arm. »Gleich müssten die Ergebnisse kommen«, sagte sie, ohne die Augen zu öffnen. »Fidelio hat eben angerufen, dass er einen Kurier losschickt.«
    Püppi nahm ihre Hand und massierte die kalten Finger. »Und was dann? Was macht die große Grinsekatze, wenn sie es mit Sicherheit weiß?«
    Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und sah ihn an.
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    Der Kurier von der Rechtsmedizin war jetzt seit zwei Stunden unterwegs. So lange brauchte kein Mensch, schon gar kein Radfahrer, auch nicht bei dichtestem Verkehr. Sie versuchte sich abzulenken und strich Püppi über den Arm.
    »Es tut mir leid, dass ich dich so herbestellt habe. Mir ist klar, wie wichtig es für dich ist, bei der Eule zu sein.« Sie lächelte schief. »Ich war nur schrecklich aufgeregt, und du weißt ja, was von den Ergebnissen abhängt.«
    Er tätschelte ihre Hand.
    »Hat dem Käuzchen das Baumhaus gefallen?«
    Er grinste und zuckte die Achseln.
    »Ich denke immer noch, dass es ein hoher Preis war, mit Fidelio zu ficken. Die Grinsekatze hatte doch Prinzipien.«
    Sie schmiegte sich an ihn.
    »Du hast aus mir erst die Grinsekatze gemacht«, sagte Gemma. Und schloss die Augen, als er ihr über den Kopf streichelte. Sie trug keine ihrer Perücken oder Tücher, und ihre Glatze schimmerte. Hinten im Nacken hatte sie sich beim Rasieren geschnitten. Sie zuckte zusammen, als seine Finger die wunde Stelle berührten.
    »Da warst du noch klein und niedlich. Und hast so geheult, dein Gesicht sah aus wie eine schrumpelige Kartoffel. Du wolltest gar nicht mehr aufhören.«
    Sie war elf gewesen und hatte schon die ganze Fahrt über so geweint, dass ihre Mutter das Autoradio lauter stellte. Ihre Schwester Alicia, die eigentlich groß genug war, um vorn zu sitzen, kauerte stumm mit ihren staunenden Augen neben Gemma und zeigte ab und zu auf etwas, das sie im Vorbeifahren bemerkte. Dann gluckste sie, aber als Gemma ein paarmal nicht reagiert hatte, ließ sie es bleiben. Beide Mädchen trugen dicke Wollmützen, die sie gern abgenommen hätten, weil es warm war im Auto und sie unter der dicken Wolle schwitzten, doch das war verboten.
    »Sobald ihr aus dieser Tür geht«, hatte die Mutter geschimpft und sie auf die Köpfe mit den raspelkurz geschnittenen Haaren geschlagen, »tragt ihr die verdammten Mützen!«
    Zwischen ihnen auf der Rückbank lag die Puppe,

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