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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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schon gelb und rot verfärbt. Im Herbst würde der Baum wie eine riesige lodernde Fackel im Garten stehen.
    Püppi tastete nach dem Band um Fionas Hals, an dem sie ihre Schlüssel trug. Ihr Nachbar, der sich auf den Weg machte, um seinen Kiosk zu öffnen, grüßte beide mit einem knappen »Merhaba«.
    Püppi nickte und sagte nur: »Hackedicht, die Kleine.« Der Nachbar nickte, Fiona versuchte, sich einen Moment zu erinnern, ob er sie wohl schon öfter in einem solchen Zustand gesehen hatte, aber dann war der Gedanke gleich wieder weg, hinuntergespült wie in einem Wasserklosett.
    Püppi setzte sie vorsichtig im Flur ab und hängte das Schlüsselband auf einen Haken. Er strich Fiona übers Gesicht. »Kommst du klar? Eule?«
    Sie versuchte einen militärischen Gruß, der aber eher aussah, als wollte sie einen Hornissenschwarm verscheuchen, der immer enger um ihre Stirn kreiste. »Yes, Sir!«
    Beim Gehen schloss er die Haustür besonders leise hinter sich. Fiona hob den Kopf, um ihm noch ein Danke hinterherzurufen, bekam aber nichts heraus. Sie sah sich selbst im Flurspiegel, wie sie mit zerknickten Flügeln, verrutschtem Bikinioberteil und einer Männerunterhose auf dem Teppichboden saß, und fand plötzlich den Gedanken, fremde Unterwäsche zu tragen, so eklig, dass sie mit den Beinen strampelte, um den Slip auszuziehen. Es dauerte eine Weile, bis sie auf dem Rücken liegend auch ihre Stiefel losgeworden war. Für die Flügel reichte die Kraft nicht mehr. »Gerupfte Pute«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. »Mauser. Ganzjährig.«
    Sie schleppte sich durch den Flur des Hochparterres, vorbei an der geschlossenen Tür, hinter der das blaue Badezimmer lag, das sie seit damals nie wieder betreten hatte, obwohl es jemand sauber gemacht hatte. Wer war das gewesen? Tante Lorina? Ein Spezialtrupp von der Polizei? Auch die nächste Tür war verschlossen, ihr Kinderzimmer, an der ein selbst gemaltes Schild hing, auf dem mit der krakeligen Schrift einer Siebenjährigen Eintritt verboten stand. Das galt seit jener Nacht auch für sie selbst.
    Sie fand ihre uralte Matratze zwischen dem Wohnzimmer und der Küche mit den großen Fenstern zum Garten hinaus, sie sah noch kurz in den Kühlschrank und säbelte sich einen dicken Streifen Schinken von einem Block ab. Ansonsten waren die Fächer leer. Draußen dämmerte es, die Buche leuchtete bereits. Mit einer Fruitloops-Packung unter dem einen Arm schleppte Fiona ihr Nachtzeug durch den Flur ins Wohnzimmer hinter die Couch. Sie zog jede Nacht um und baute sich irgendwo in dem Haus ein Nest, wickelte sich in die Decke, griff noch einmal in die Packung, aß die knirschenden, zuckersüßen Loops und gruppierte um sich herum einen weißen Stoffhasen, ein rotes Herz aus Plüsch und eine große, bunt geringelte Raupe, auf deren Rücken in Schnörkelschrift der Name Absolem eingestickt war.
    Noch während sie kaute, fiel ihr der Verfolger wieder ein. Sie stellte sich vor, wie er mit offener Hose, hechelnd und mit heraushängender Zunge hinter ihr herlief und dabei ständig über seine Hosenbeine stolperte, sein weißer, stacheliger Hintern würde vom Mond beschienen, und er wäre so fahrig, dass er wie ein Tennistrainingsautomat einen Pfeil nach dem anderen herausschoss und immer danebentraf. Sie hatte die Augen geschlossen und kicherte. »Der wusste einfach nicht, mit wem er es zu tun hatte.«
    Sie kuschelte sich an die Raupe, die Haare fielen ihr übers Gesicht, aber das merkte sie nicht mehr. Sie schlief schon fast, als sie noch murmelte: »Mir kannst du gar nichts. Ich bin eine Eule.«

2    GRINSEKATZE
    »Wir kriegen den Hangar!«
    Gemma räkelte und streckte sich auf dem Teppich, umgeben von unzähligen Akten und mehreren Laptops, und hielt das Handy hoch, als wäre es ein Pokal, den sie gerade gewonnen hatte. Sie war eine große, schlanke Frau im Kimono, die ihren Kopf kahl rasierte, was nicht nur die ungewöhnlich hohen Wangenknochen betonte, sondern auch ihre tiefgrünen Augen mit den langen, dichten Wimpern noch geheimnisvoller wirken ließ.
    Ein dicker, gestreifter Kater mit buschigem Schwanz, der in ihren Kniekehlen gelegen hatte, stand missmutig auf und tigerte zu dem Sklaven, der im schwarzen Ganzkörperdress latexknirschend auf der Ecke des Teppichs kniete. Der Kater wartete, bis der Sklave wortlos aufgestanden war und sich an der Wand wieder hingekniet hatte. Dann rollte er sich schnurrend auf dem vorgewärmten Fleckchen zusammen. Gemma kommentierte das mit einem

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