Darkover 03 - Herrin der Falken
Messer und
heulte mit den Stimmen von zehntausend Teufeln durch die Bäume am Wegrand. Romilly dachte einen Augenblick daran, zu dem kleinen Berghof zurückzukehren, an dem sie vormittags vorbeigekommen war, und dort um Obdach zu bitten… nein. Die Bauern dort mochten unter denen gewesen sein, die hin und wieder nach Falkenhof kamen, und sie selbst in ihrer Jungenkleidung als Tochter des MacAran erkennen. Sie kannte sie nicht, aber sie hatte sich auch noch nie so weit von zu Hause entfernt und war sich nicht sicher, wo sie sich befand. Sie hatte eine vage Vorstellung davon, daß sie, wenn sie diesem Weg folgte und sich nordwärts hielt, schließlich nach Nevarsin gelangen würde, und von da ging eine Straße zum Tramon-tana-Turm. Dort würde sie ihren Bruder Ruyven finden. Oder wenn er von den Leroni, die in den Türmen herrschten, anderswohin geschickt worden war, würde sie Nachricht über ihn erhalten. Vielleicht konnte sie ihr Laran in den Türmen ausbilden lassen, wie die Leronis Marelie es ihr vor ein paar Jahren geraten hatte. Oder sie blieb für den Winter in Nevarsin – sie hatte lange genug in den Hellers gelebt, um zu wissen, daß eine Reise auf den Straßen, die nach Tramontana führten, in der schlechten Jahreszeit ein gefährliches Unternehmen war, auf das sich nur Wahnsinnige oder Verzweifelte einließen. Sicher fand sie in Nevarsin Arbeit als Lehrling eines Falkenmeisters oder als Stalljunge bei einem Schmied oder Pferdeverleiher – als Mädchen wollte sie sich nicht zu erkennen geben. Sie hatte ihr eigenes Heim selten verlassen, wo selbst die Küchenmädchen und Wäscherinnen freundlich behandelt wurden und unter dem Schutz von Domna Luciella standen. Aber schon die Art, wie sie auf diese Behandlung reagierten, zeigte, daß so etwas nicht häufig vorkam. Eine der Frauen, die jahrelang in einer Kneipe gearbeitet hatte, erzählte viele Geschichten über das, was einem da widerfahren konnte. Romilly zweifelte nicht an ihrer Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen und unerwünschte Hände von sich abzuwehren. Allein noch der niedrigste Stalljunge bekam mehr bezahlt als jede Köchin oder Kellnerin, und Romilly hatte wenige Talente, die sie über die Aufgaben eines einfachen Scheuermädchens hinausheben würden. Sie kannte sich nur mit Pferden und Falken und mit der Beaufsichtigung von Dienstboten aus. Schneiderinnen und Kinderfrauen, das wußte sie, erhielten höhere Löhne. Doch schon bei dem Gedanken, als Näherin zu arbeiten, mußte sie lächeln, und über eine Kinderfrau würden die Leute mehr zu erfahren wünschen, als sie bereit war mitzuteilen. Nein, wenn sie sich entschloß, den Winter in Nevarsin zu verbringen, würde sie dem äußeren Anschein nach ein Junge bleiben und sich Arbeit in einem Stall oder Falkenhaus suchen.
Auf diese Weise war sie wenigstens mit Pferden und Falken zusammen. Der Verlust Preciosas schmerzte sie immer noch. Aber ich bin froh, daß es geschehen ist, dachte sie grimmig. Sie zog in dem peitschenden Wind den Kopf ein und versteckte das Gesicht im Mantelkragen. Andernfalls hätte ich nie den Mut gehabt fortzulaufen! Ich wäre gehorsam geblieben und hätte vielleicht sogar Dom Garris geheiratet… und sie schüttelte sich vor Abscheu. Nun, das hatte sie hinter sich, auch wenn sie den Rest ihres Lebens als Junge verkleidet in den Ställen irgendeines Fremden arbeiten mußte!
Der Schnee ging allmählich in nassen, durchdringenden Regen über. Die Hufe des Pferdes rutschten und schlitterten auf dem steilen Pfad. Romilly ließ sich in Rapport sinken und spürte die Kälte des Windes, den unsicheren Boden, die Vorsicht, mit dem das Pferd die Hufe setzte. Der Regen gefror im Fallen; Romillys Mantel wurde steif vor Eis. Wirklich, sie mußten bald einen Unterschlupf finden.
Sie kamen an eine scharfe Biegung des Weges. Er teilte sich dort. Eine Abzweigung führte aufwärts durch dichte Bäume. Die andere war breiter und führte steil abwärts. Romilly glitt vom Rücken des Pferdes und verrenkte sich beinahe den Hals, um in irgendeiner Richtung den die Sicht verschleiernden Nebel zu durchdringen. Weiter unten sah sie nichts als ein Rinnsal, das sich über die Felsen neben dem Weg stürzte und verschwand. Weiter oben kam es ihr dagegen vor, als erkenne sie die Wände einer Art von Bauwerk, vielleicht einer Hütte für Hirten oder eines Schutzdachs für Tiere. Der breitere Weg mochte bergab zu einem Dorf oder einer Ansammlung von Talhöfen führen. Aber sicher war es nicht, und
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