Darkover 12 - Der verbotene Turm
Dezi seine Augen abwenden konnte, nahm Damon ein triumphierendes Aufblitzen wahr, und plötzlich durchschaute er alles. »Heraus damit, Dezi!«, befahl er streng. »Wo ist er? Du bist der Letzte, der ihn gesehen hat.«
Der Junge zuckte verdrießlich die Schultern. »Dahin, woher er gekommen ist, nehme ich an. Gut, dass wir ihn los sind!«
»In diesem Wetter?« Entgeistert blickte Damon in den Sturm, der vor den Fenstern tobte. Dann fuhr er so heftig auf Dezi los, dass der Junge vor ihm zurückwich.
»Du hast damit etwas zu tun gehabt!«, erklärte Damon zornig. »Mit dir befasse ich mich später. Jetzt ist keine Zeit zu verlieren!« Er rannte hinaus und rief nach den Dienern.
Andrew erwachte langsam und spürte brennenden Schmerz in seinen Händen und Füßen. Er war in Decken und Verbände eingewickelt. Ferrika beugte sich mit etwas Heißem über ihn. Sie hielt seinen Kopf und brachte ihn dazu, es zu schlucken. Damons Augen schwammen aus dem Nebel heraus, und benommen dachte Andrew, dass Damon wirklich besorgt um ihn war. Damon hatte Interesse. Es war nicht wahr, was er von ihm gedacht hatte.
Damon sagte freundlich: »Ich glaube, wir haben dich noch gerade rechtzeitig gefunden. Eine weitere Stunde, und wir hätten deine Hände und Füße nicht mehr retten können, noch zwei Stunden, und du wärst tot gewesen. An was erinnerst du dich?«
Andrew suchte in seinem Gedächtnis. »An wenig. Ich war betrunken«, gestand er. »Es tut mir Leid, Damon. Ich muss für kurze Zeit verrückt geworden sein. Immerzu dachte ich: Geh weg, Callista braucht dich nicht. Es war wie eine Stimme in meinem Kopf, deshalb versuchte ich, das zu tun – wegzugehen, meine ich... Es tut mir Leid.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, erklärte Damon grimmig, und sein Zorn war wie ein wahrnehmbares rotes Glühen um ihn. Andrew in seinem überreizten Zustand sah ihn als Netz elektrischer Energien, nicht als den Damon, den er kannte. Er glühte, er zitterte vor Wut. »Du hast die Mühe nicht verursacht. Dir ist ein sehr schmutziger Streich gespielt worden, und er hätte dich beinahe umgebracht.« Dann war er wieder Damon, ein schlanker Mann, der sich über ihn beugte und ihm sanft eine Hand auf die Schulter legte.
»Schlaf und mach dir keine Sorgen. Du bist hier bei uns, und wir werden uns um dich kümmern.«
Sobald Andrew eingeschlafen war, suchte Damon Dom Esteban auf. Der Zorn pulsierte in seinem Geist. Dezi hatte die Alton-Gabe des erzwungenen Rapports. Er konnte eine gedankliche Verbindung mit jedem herstellen, sogar mit einem Nichttelepathen. Der betrunkene Andrew war das perfekte Opfer gewesen, und da er Andrew kannte, vermutete Damon, er habe sich nicht aus eigenem freien Willen betrunken.
Dezi war eifersüchtig auf Andrew. Das war seit langem offensichtlich. Aber warum? Bildete er sich ein, wenn Andrew aus dem Wege sei, werde Dom Esteban ihn als den Sohn, den der alte Mann dann verzweifelt brauchen würde, anerkennen? Oder hatte er es sich in den Kopf gesetzt, Callista zu einer Heirat zu bewegen und so den alten Mann zu dem Eingeständnis zu zwingen, er sei Callistas Bruder? Es war ein Rätsel, das Damon nicht lösen konnte.
Vielleicht hätte Damon einem gewöhnlichen Telepathen, der einer solchen Versuchung ausgesetzt war, verzeihen können. Aber Dezi war in Arilinn ausgebildet worden, er hatte den Eid der Türme abgelegt, niemals die Integrität eines Geistes zu zerstören, niemals den Willen oder das Bewusstsein eines anderen zu zwingen. Ihm war eine Matrix anvertraut worden mit all der unheimlichen Macht, die sie verlieh.
Und Dezi hatte Verrat begangen.
Er hatte nicht gemordet. Mit Glück und Caradocs scharfen Augen hatten sie Andrew in einer Schneeverwehung liegend gefunden, von dem treibenden Schnee halb bedeckt. Eine Stunde später wäre er ganz zugeschneit gewesen, und seine Leiche hätte man vielleicht im Tauwetter des Frühlings gefunden. Und was wäre aus Callista geworden, die hätte glauben müssen, Andrew habe sie verlassen? Damon erschauerte bei dem Gedanken, dass Callista vielleicht den Tag nicht mehr überlebt hätte. Allen Göttern auf einmal sei Dank, sie hatte zu der Zeit in tiefem Betäubungsschlaf gelegen. Erfahren würde sie es – in einer Telepathen-Familie gab es keine Möglichkeit, solche Dinge geheim zu halten –, aber nicht gleich.
Dom Esteban hörte sich die Geschichte bestürzt an. »Ich wusste, es war schlechtes Blut in dem Jungen«, sagte er. »Ich hätte ihn schon vor Jahren als
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