Darkover 12 - Der verbotene Turm
behandelte sie mit merkwürdig riechenden Kräutertees und diskutierte in Ausdrücken, von denen Andrew einen unter zehn verstand, des Langen und Breiten über ihren Zustand. Andrew fühlte sich wie das fünfte Bein am Pferd. Und selbst als es ihm wieder besser ging, als er gern aufgestanden wäre und sich betätigt hätte, konnte er sich nicht mit schwerer Arbeit ablenken. Solange der Blizzard wütete, ließ sich nichts machen. Ein paar Diener versorgten durch unterirdische Tunnel die Reitpferde und die Kühe, die die Milch für den Haushalt lieferten. Ein paar Gärtner kümmerten sich um die Gewächshäuser. Über all das hatte Andrew offiziell die Aufsicht, aber es gab nichts für ihn zu tun.
Ohne Callista, sagte er sich, gab es wirklich nichts, was ihn hier hielt, und seit dem Fiasko war er mit Callista auch nicht für einen Augenblick allein gewesen. Damon hatte darauf bestanden, dass Ellemir bei ihr schlief. Callista dürfe niemals, auch im Schlaf nicht, das Gefühl haben, allein zu sein, und ihre Zwillingsschwester sei für diese Aufgabe geeigneter als jeder andere.
Ellemir hatte sie unermüdlich Tag und Nacht gepflegt. Einerseits war Andrew dankbar für Ellemirs zärtliche Fürsorge, da er jetzt so wenig für Callista tun konnte. Aber andererseits war er unglücklich darüber, unglücklich über seine Isolierung, und er nahm es übel, dass dadurch betont wurde, ein wie dünner Faden ihn an Callista band.
Wie gern hätte er für sie gesorgt, sie gepflegt, sie hochgehoben... aber sie wollten ihn nie mit ihr allein lassen, und auch das nahm er übel. Glaubten sie wirklich, er werde bei der ersten Gelegenheit wie ein wildes Tier über sie herfallen und sie vergewaltigen? Hölle und Verdammnis, dachte er, die Annahme, er werde zu ängstlich sein, sie auch nur mit einer Fingerspitze zu berühren, war doch viel wahrscheinlicher! Ich möchte nichts weiter, als mit ihr zusammen sein. Man erzählte ihm, sie brauche die Gewissheit, dass er sie noch liebe, und dann benahm man sich, als könne man es nicht wagen, sie eine Minute zusammen allein zu lassen...
Andrew merkte, dass er immer von neuem wie besessen über Frustrationen nachgrübelte, gegen die er nichts unternehmen konnte. Heftig drehte er sich auf die andere Seite und versuchte, wieder einzuschlafen. Er hörte Ellemirs gleichmäßiges Atmen und Callistas Seufzen, als sie sich unruhig bewegte. Er suchte nach ihr mit seinen Gedanken und spürte eine leichte Berührung. Sie lag in tiefem Schlaf, betäubt von einer der Kräutermedizinen Damons und Ferrikas. Andrew wünschte, er wisse Bescheid darüber, was sie ihr gaben und warum. Er vertraute Damon, aber er wünschte, Damon würde ihm ein wenig mehr vertrauen.
Und Ellemirs Anwesenheit trug auch zu seiner Gereiztheit bei. Sie war ihrer Zwillingsschwester so ähnlich, aber gesund und rosig, wo Callista bleich und krank war... Sie war so, wie Callista hätte sein sollen. Die Schwangerschaft hatte, obwohl so früh abgebrochen, ihren Körper weich gemacht und den Kontrast zu Callistas scharfer Magerkeit verstärkt. Verdammt, er sollte nicht über Elle-mir nachdenken. Sie war die Schwester seiner Frau, die Frau seines besten Freundes, die eine Frau unter allen Frauen, die ihm verboten war. Außerdem war sie Telepathin, sie würde den Gedanken auffangen und in tödliche Verlegenheit geraten. Damon hatte ihm einmal erzählt, in einer Telepathen-Familie sei ein lüsterner Gedanke das psychologische Äquivalent einer Vergewaltigung. Er interessierte sich überhaupt nicht für Ellemir – sie war nichts als seine Schwägerin! Es lag nur daran, dass sie ihm das Bild vor Augen führte, wie Callista sein könnte, wenn sie gesund und wohlauf und frei von dem Zwang des Turms, der auf ewig verdammt sein sollte, wäre.
Sie war so freundlich zu ihm...
Nach langer Zeit schlief er ein und begann wieder zu träumen.
Er befand sich in der kleinen Schutzhütte der Hirten. Callista hatte ihn, sich in der Überwelt, der Welt der Gedanken und Illusionen, bewegend, nach dem Absturz des Flugzeugs durch den Blizzard hierher geführt. Nein, es war nicht die Schutzhütte, es waren die seltsa men gedanklichen Mauern, die Damon für sie aufgebaut hatte. Sie waren nicht wirklich, außer dass sie sichtbar waren, aber im Reich der Gedanken besaßen sie Festigkeit genug. So konnte Andrew je den einzelnen Ziegelstein erkennen. Er erwachte, wie er es damals getan hatte, in trübem Licht und sah das Mädchen neben sich He gen, eine schattenhafte
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