Darkover 17 - Die blutige Sonne
ersten, der mich berührt, dies Messer in die Kehle!«
Im Fackellicht drinnen sah Kindra Marco auf einem Strohballen halb sitzen, halb liegen. Er hielt einen Dolch in der Hand und wehrte seine Kameraden damit von sich ab. Aber er war todesblaß, und auf seiner Stirn stand eisiger Schweiß. Der Strohballen rötete sich langsam von einer Blutlache. Kindra wußte, daß der menschliche Körper ohne ernste Gefahr mehr Blut verlieren konnte, als die meisten Leute für möglich hielten. Doch für jeden gewöhnlichen Menschen sah es sehr beunruhigend aus.
Marco erblickte Kindra und keuchte: » Mestra , ich bitte Euch… ich muß mit Euch allein reden… «
»Das ist keine Art, mit einem Kameraden umzuspringen, Junge«, schalt einer der Söldner, der hinter ihm kniete. Kindra kniete sich neben den Strohballen. Die Wunde saß hoch oben am Bein nahe der Leiste. Die Lederhose hatte den Schlag etwas aufgefangen, sonst hätte den Jungen das gleiche Schicksal ereilt wie den Mann, den Annelys mit der Axt getroffen hatte.
»Du kleiner Dummkopf«, sagte Kindra. »Ich kann nicht halb soviel für dich tun wie dein Freund hier.«
Marcos Augen schlossen sich vor Schmerz oder Schwäche. Kindra dachte, er habe das Bewußtsein verloren, und winkte dem Mann hinter ihm. »Schnell jetzt, solange er bewußtlos ist… « Aber Marco zwang unter Qualen die Augen wieder auf.
»Wollt auch Ihr mich betrügen?« Er hob den Dolch, aber so schwach, daß Kindra erschrak. Ganz bestimmt war hier keine Zeit zu verlieren. Das beste war, auf seine Launen einzugehen.
»Geht«, sagte sie zu den anderen Männern. »Ich werde ein vernünftiges Wort mit ihm reden, und wenn er nicht hören will, nun, dann ist er alt genug, die Folgen seiner Torheit zu tragen.« Ihr Mund verzog sich, als die Männer gingen. »Ich hoffe, was du mir zu sagen hast, ist es wert, daß du dein Leben dafür riskierst, du Schwachkopf!«
Aber ein schrecklicher Verdacht wuchs in ihr, als sie sich auf das blutige Stroh kniete. »Du Narr, weißt du, daß das wahrscheinlich deine Todeswunde ist? Ich verstehe nur wenig von der Heilkunst. Deine Kameraden hätten besser für dich sorgen können.«
»Ganz bestimmt wird es mein Tod sein, wenn Ihr mir nicht helft«, flüsterte die heisere, schwache Stimme. »Keiner dieser Männer ist mir ein so guter Kamerad, daß ich ihm vertrauen könnte… Mestra , helft mir, ich bitte Euch im Namen der gnädigen Avarra - ich bin eine Frau.«
Kindra holte scharf Atem. Der Verdacht war ihr bereits gekommen - und sie hatte richtig vermutet. »Und keiner von Brydars Männern weiß… «
»Keiner. Ich habe ein halbes Jahr unter ihnen gelebt, und ich glaube nicht, daß einer von ihnen eine Ahnung hat - und Frauen fürchte ich noch mehr. Aber bei Euch hatte ich das Gefühl, ich könnte Euch vertrauen… «
»Ich schwöre es«, fiel Kindra hastig ein. »Ich bin durch Eid verpflichtet, niemals einer Frau Hilfe zu verweigern, die mich im Namen der Göttin darum bittet. Aber laß mich dir jetzt helfen, mein armes Mädchen, und bete zu Avarra, daß du es nicht zu lange verzögert hast!«
»Selbst wenn es so wäre… « hauchte das seltsame Mädchen, »möchte ich lieber als Frau sterben statt… entwürdigt und zur Schau gestellt zu werden. Mir ist soviel Entwürdigung widerfahren...«
»Still! Still, Kind!« Aber das Mädchen fiel auf das Stroh zurück. Diesmal war sie wirklich ohnmächtig geworden. Kindra schnitt die Lederhose weg und sah sich den ernsthaften Schnitt an, der oben durch den Schenkel und in den Schamberg hineinführte. Die Wunde hatte stark geblutet, war nach Kindras Meinung jedoch nicht tödlich. Sie ergriff eins der sauberen Handtücher, die die Männer zurückgelassen hatten, und drückte es kräftig gegen die Wunde. Als die Blutung schwächer wurde, dachte sie stirnrunzelnd nach. Der Schnitt sollte genäht werden. Nur ungern tat sie es selbst. Sie hatte wenig Geschick in solchen Dingen, und sie war überzeugt, der Mann aus Brydars Gruppe konnte es sauberer tun und würde eine ruhigere Hand dabei haben. Sie wußte jedoch, genau das hatte die junge Frau gefürchtet, den Blicken der Männer ausgesetzt und von Männern behandelt zu werden. Kindra dachte: Wenn es erledigt werden kann, bevor sie das Bewußtsein wiedererlangt, braucht sie es nicht zu wissen… Aber sie hatte dem Mädchen ein Versprechen gegeben, und sie würde es halten. Als sie in den Flur hinaustrat, rührte das Mädchen sich
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