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Darkover 17 - Die blutige Sonne

Titel: Darkover 17 - Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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dich gerächt, jetzt kannst du wieder als Frau leben.«
   Wieder schüttelte die Namenlose den Kopf. »Als Frau leben, Männern wie meinem Vater unterworfen? Zurückkehren und bei meiner Mutter um einen Unterschlupf betteln? Sie würde mir wohl heimlich Brot zustecken, damit ich ihnen nicht noch mehr Schande mache, indem ich auf ihrer Türschwelle sterbe, und mich verstecken. Soll ich mich placken, nähen oder spinnen, wenn ich frei mit einer Söldnertruppe geritten bin? Oder soll ich als einsame Frau leben und von der Gnade der Männer abhängig sein? Lieber will ich mich der Gnade des Schneesturms und des Banshees überlassen!« Sie umklammerte Kindras Hand. »Nein, lieber möchte ich sterben.«
   Kindra nahm das Mädchen in die Arme und zog sie an ihre Brust. »Still, mein armes Mädchen, still, du bist außer dir, du darfst nicht so reden. Wenn du dich ausgeschlafen hast, wirst du anders denken«, tröstete sie, aber sie spürte die Tiefe der Verzweiflung in dieser Frau, und der Zorn in ihr wuchs.
   Die Gesetze ihrer Gilde verboten ihr, über die Schwesternschaft zu sprechen, diesem Mädchen zu erzählen, daß sie frei leben konnte, geschützt von dem Freibrief der Gilde, daß sie nie mehr der Gnade irgendeines Mannes ausgeliefert zu sein brauchte. Diese Gesetze der Gilde durfte sie nicht brechen. Sie mußte ihren Eid halten. Und doch, brach sie in einem tieferen Sinn ihren Eid nicht gerade dadurch, daß sie dieser Frau, die so große Gefahren auf sich genommen und sich im Namen der Göttin an sie gewandt hatte, das Wissen vorenthielt, das ihr den Lebenswillen zurückgeben konnte?
   Ob ich so oder so handele, ich werde zur Meineidigen. Entweder breche ich meinen Eid, indem ich diesem Mädchen meine Hilfe versage, oder ich breche ihn, indem ich ausspreche, was das Gesetz mir auszusprechen verbietet .
   Das Gesetz! Das von Männern gemachte Gesetz, das sie immer noch von allen Seiten einengte, obwohl sie die gewöhnlichen Gesetze abgeschüttelt hatte, nach denen die Männer die Frauen zu leben zwangen! Und sie war zweifach verdammt, wenn sie vor Annelys von der Gilde sprach, wenn auch Annelys an ihrer Seite gekämpft hatte. Das gerechte Gesetz der Hellers beschützte Annelys vor diesem Wissen. Die Schwesternschaft würde Schwierigkeiten bekommen, wenn Kindra die Tochter einer ehrbaren Gasthofbesitzerin, deren Mutter ihre Hilfe und die ihres zukünftigen Ehemannes brauchte, aus dem Elternhaus weglockte!
   Das namenlose Mädchen an ihrer Brust hatte die Augen geschlossen. Kindra nahm einen dünnen Gedankenfaden wahr. Sie wußte, daß Mitglieder der Telepathenkaste sich durch einen bloßen Entschluß das Leben nehmen konnten… so wie dies Mädchen sich durch einen bloßen Entschluß das Leben gegeben hatte, bis die heißersehnte Rache vollzogen war.
   Laß mich so einschlafen… und ich stelle mir vor, ich liege wieder in den Armen meiner Mutter, damals, als ich noch ihr Kind war und dies Entsetzen mich noch nicht berührt hatte… Laß mich so einschlafen und niemals mehr erwachen…
   Schon trieb sie davon, und einen Augenblick lang war Kindra in ihrer Verzweiflung versucht, sie sterben zu lassen. Das Gesetz verbietet mir zu sprechen . Und wenn sie sprach, dann würde Annelys, bereits der Heldenverehrung für Kindra verfallen, bereits gegen das Geschick einer Frau rebellierend, Annelys, die einen Vorgeschmack davon bekommen hatte, wie stolz es machte, sich selbst verteidigen zu können, ihr ebenfalls folgen. Kindra wußte es in einer seltsamen Vorausschau, die sie schaudern ließ.
   Sie gab dem Zorn in ihrem Herzen nach und ließ ihn überfließen. Sie schüttelte die namenlose Frau wach, die sich bereits dem Tod anheimgegeben hatte.
   »Hör mir zu! Hör zu! Du darfst nicht sterben!« erklärte sie wütend. »Nicht nachdem du soviel erduldet hast! Das ist der Weg eines Feiglings, und du hast wieder und wieder bewiesen, daß du kein Feigling bist!«
   »Und trotzdem bin ich ein Feigling«, sagte die Frau. »Ich bin zu feige dazu, auf die einzige Weise zu leben, die einer Frau wie mir offensteht - durch die Mildtätigkeit von Frauen wie meine Mutter oder die Gnade von Männern wie mein Vater oder Narbengesicht! Ich träumte davon, wenn ich meine Rache vollzogen hätte, würde ich einen anderen Weg finden. Aber es gibt keinen.«
   Kindra konnte sich nicht mehr beherrschen. Verzweifelt blickte sie über den Kopf der namenlosen Frau in Annelys’ ängstliche Augen. Sie schluckte. Es

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