Darkover 23 - Asharas Rückkehr
sie ihre Milch ausschüttete. Sie wusste, das Bild vor ihr existierte nur in ihrem Kopf, es war eine Erinnerung, nicht mehr. Trotzdem hatte sie das Gefühl, als würde ihr Verstand ein wenig zerbröckeln. Das durfte sie nicht zulassen - sie musste an Ivor denken, sich um ihn kümmern!
Margaret zwang sich, nicht weiter an ihren Vater zu denken oder an jenen anderen Mann, der ihr Angst machte. Statt -dessen nahm sie zusammen, was ihr an Verstand geblieben war, und sagte so ruhig wie möglich: »Meister Everard, ich glaube, Ihre Harfe ist verwunschen. Der Professor und ich haben ein ähnliches Phänomen einmal auf Ceti Drei beobachtet. Dort ist Besessenheit von einem Musikgeist natürlich gang und gäbe - ein Aspekt der Religion gewissermaßen.« Sie flüchtete sich in die Sicherheit wissenschaftlicher Objektivität, wobei sie völlig vergaß, dass Meister Everard noch nie von Ceti Drei gehört hatte. »Ich weiß nicht, woher ich dieses Lied haben könnte. Es ist nicht im Child, oder Ivor? Es gibt natürlich mehrere Lieder dieser Art…« Als sie das Unverständnis auf Meister Everards Gesicht sah, wiederholte sie ihre Frage in Casta.
»Ja, eine frühere Studentin von mir hat eine postdoktorale Arbeit über sie geschrieben«, warf Ivor ein. »Das Rachethema in schottischen, irischen und skandinavischen Balladen. Sie kennen sie bestimmt, Margaret. Wie hieß sie gleich noch? Ach ja - Anna Standish.« »Aber ich kenne das Lied«, antwortete Meister Everard, der Ivors Bemerkung überhörte. »In den Hellers ist es besser bekannt als hier. Es ist eine alte Ballade mit dem Titel »Der Geächtete«. Angeblich basiert sie auf der Geschichte von Rupert di Asturien, der vor zwei Jahrhunderten in einem Anfall von Berserkerwut seine gesamte Familie umgebracht hat - außer einer Schwester, und sie war es, die ihn für geächtet erklärt hat. Ihr Akzent ist übrigens ausgezeichnet, aber ich habe gestern Abend schon bemerkt, dass Sie unsere Sprache besser sprechen als viele Terraner, die schon seit Jahren hier sind. Als ich Sie singen hörte, hätte ich geschworen, dass Sie einmal hier gelebt haben, wenn ich es nicht besser wüsste. Sie haben den Akzent der Kilghardberge gebraucht, wo das Lied am Kamin gesungen wird. Wirklich, Sie haben es gesungen, als hätten Sie ihm dort hundertmal gelauscht.«
»Wenn Sie das sagen. Aber so viel ich weiß, hatte ich es noch nie gehört, bevor ich zu singen begann.« Aber dann fragte sich Margaret, ob sie sich da so sicher sein konnte. Bei dem Wort Kilghardberge war es ihr seltsam kalt über den Rücken gelaufen. Wie die Musik selbst hatte es eine Art Resonanz ausgelöst. Vielleicht hatte der Alte sie einmal erwähnt, in einem seiner seltenen Anfälle von Gesprächigkeit. Oder auf der Diskette war von ihnen die Rede gewesen. Das musste es sein. Eine Woge der Erleichterung durchflutete sie. Sie wurde nicht verrückt. Ihr Gedächtnis spielte ihr nur einen Streich und brachte ihre Erinnerungen ein wenig durcheinander.
Als sich Margaret gerade eingeredet hatte, dass sie ruhig und vollkommen bei Verstand war, sah sie im Geiste eine Hügelkette vor sich, umgeben von höheren Bergen, die schneebedeckt und in Nebel gehüllt waren. Ihr Blut begann zu pochen - wo kam nun dieses Bild wieder her? Es war ein sehr deutliches Bild, beinahe so klar wie ein holografisches Video, aber sie wusste genau, dass sie diese Berge noch nie gesehen hatte und auch kein Video von ihnen. Es kam ihr fast so vor, als hätte sie das Bild aus dem Kopf einer anderen Person gestohlen, und das war schlicht unmöglich. Ein Schmerz war nun in ihr, ein Hunger, ein merkwürdiges Verlangen, das anders war als alles, was sie kannte. Sie wollte diese Berge wieder sehen, als wäre sie schon einmal dort gewesen, und gleichzeitig spürte sie, dass dort etwas wartete, das ihr Angst machte. Margaret sagte sich entschlossen, dass ihre Phantasie nur einmal mehr verrückt spielte, und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Ivor und Meister Everard zu.
«… ein Stück auf dieser besonderen Ryllzu spielen …«, sagte Meister Everard gerade. »Es muss Sie wohl mögen; ich sollte Ihnen das Instrument schenken. Das geht wirklich über mein Begriffsvermögen hinaus.«
»Aber Sie sagten, es ist historisch …«
»Ja. Es gehörte - angeblich - einer Frau namens Thyra. Das ist ein Chieri-Name, und sie wurde allgemein für eine halbe Chieri gehalten. Sie starb … na, das muss so etwa vor zwanzig Jahren gewesen sein.« Irgendetwas in Margaret stellte die Ohren
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