Darkover 23 - Asharas Rückkehr
er benutzte in seinem Eifer den einheimischen Namen - »ist ein echtes Problemkind. Es ge
hörte einst einer Frau, die großes Talent besaß, aber auch ein gerüttelt Maß Verrücktheit. Es heißt, sie stammte von Chieri ab und war eine Frau, die ihren speziellen Platz in der Geschichte unseres Planeten hat. Es ist keine sehr angenehme Geschichte. Aber so ist das Leben.« Wieder verlor er sich in Gedanken: »Wenn du gewinnst oder Erfolg hast mit dem, was du anstrebst, bist du ein Held. Wenn nicht, bist du ein Schurke. So ist es mit der Geschichte.«
Chieri? Sie kannte das Wort nicht, aber ihr wurde sonderbar zu Mute, als sie es hörte. »Und was ist nun so merkwürdig an dieser Ryll?«, fragte Margaret, und es juckte sie in den Fingern, über das seidene Holz zu streichen. Das Instrument faszinierte sie, seit sie den Raum betreten hatte.
Der alte Mann seufzte wieder. »Dieser Ryll hat mir einer meiner Studenten vor etwa zwanzig Jahren nach unserer Zeitrechnung gegeben. Wie er dazu kam, weiß ich nicht, aber er hat sie gegen eine Blockflöte eingetauscht - ein ungleicher Handel -, und ich war so begierig darauf, sie zu besitzen, dass ich ihn nicht ausfragte, wie ich es hätte tun sollen und wie ich es heute vielleicht tun würde, wenn er wiederkäme. Ich glaube, Josef von Nevarsin hat sie angefertigt. Er war der vielleicht beste Ryllenbauer, der je gelebt hat. Er ist seit mehr als hun-dertfünfzig Jahren tot, aber ich weiß, dass Mestra Melora Alindair, eine unserer besten Liedersängerinnen, einhundert Reis, was eine sehr beträchtliche Summe ist, für ein von ihm signiertes Instrument bezahlt hat. Sie ist immerhin eine Mac- Aran, und die kennen sich mit Musikinstrumenten aus. Natürlich gibt es sogar auf unserem Planeten Fälscher, aber wenn diese Ryll hier nicht von Josef selbst gebaut wurde, muss es einer seiner Schüler gefertigt haben. Josef hatte eine Art, das Holz zu schneiden, die heute in Vergessenheit geraten ist, weder quer noch gegen die Maserung. Sehen Sie hier.« Er deutete auf den Hals des Instruments, wo sich die Maserung
spiralförmig nach oben wand, als wäre das Holz so gewachsen. »Jeder, der das heute nachbauen könnte, würde ein Vermögen machen. Es sieht aus wie Stromschnellen in einem Fluss. Aber trotz allem kann ihr niemand einen Ton entlocken. Ich bin selbst kein schlechter Harfenist, aber sie lässt sich nicht spielen. 0 ja, wenn ein starker Wind geht, dann seufzt sie ein bisschen, aber das tun viele Instrumente. Und wenn es blitzt, was im Sommer häufig vorkommt, dann stöhnt sie - fast so, als würde irgendetwas aus ihr heraus wollen.« Er sah sie unschlüssig an, aber als Margaret kein Anzeichen von Spott oder Ungläubigkeit erkennen ließ, fuhr er fort. »Sie gibt immer nur denselben unangenehmen Akkord von sich -meine Schüler sind schon ganz entnervt. Hier, ich zeige es Ihnen.«
Er legte sich die Harfe flach auf die Knie. Seine Hände waren alt und ein bisschen steif, aber immer noch beweglich genug, um die Saiten zu zupfen. Margaret wusste inzwischen, dass er über neunzig war, etwa im gleichen Alter wie der Professor, und es schmerzte sie, dass er so mühelos noch tun konnte, was Ivor nicht mehr fertig brachte. Er drückte Bünde an einem Ende und fuhr mit der Hand über die Saiten; aber während alle anderen Instrumente rasch auf seine fachkundige Berührung reagiert hatten, gab dieses hier nur einen tiefen Brummton von sich. »Sehen Sie? Sonst kommt nichts - und das ist noch nicht einmal ein richtiger Harfenton. Hier, versuchen Sie es.«
Er stand auf und gab Margaret das Instrument. Sie setzte sich und betrachtete es. Das helle Holz war wunderschön, und die etwas dunkleren Wirbel in der Maserung machten es noch schöner. Sie streichelte das Holz und tastete nach Nahtstellen, aber ihre feinfühligen Finger konnten keine entdecken. Auf dem Klangkörper und unter dem Steg gab es dekorative Intar
sien aus dunklerem Holz. Der Geruch des alten Holzes erfreute sie mit einem Hauch von Vertrautheit so wie die Gewürze in dem Eintopf am Vorabend. Für einen kurzen Augenblick sah sie die rothaarige Frau, die manchmal durch ihre Träume spukte, und sie hielt eine Ryll wie diese hier. Und dann ließ sie ihre Finger über die Saiten gleiten, drückte auf die Bünde und wurde mit einem Schauer von Arpeggios belohnt, die herabstürzten wie ein Frühlingsregen auf Thetis. Margaret vergaß die beiden alten Männer, die sie verwundert anstarrten. Sie strich über die Saiten und dachte an ein
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