Darkover 23 - Asharas Rückkehr
Wut entdeckte. Aber die Wut würde durch den Wunsch allein nicht vergehen. Sie würde auch wieder lächeln, sogar lachen - Ivor hätte es so gewollt. Aber noch nicht gleich. Für den Augenblick musste sie sich damit abfinden, dass sie einige starke Empfindungen auf einmal hatte und dass keine davon sehr angenehm war. Sie seufzte tief, und ein Teil von ihr machte ihr Vorwürfe, weil sie gar so dramatisch war. Es war, als wäre eine Fremde in ihren Körper eingedrungen, während sie schlief, eine andere Margaret, von der sie gewusst hatte, dass sie in ihrer Seele lauerte und auf eine Gelegenheit wartete, die Herrschaft über ihren Körper zu übernehmen. Das war natürlich lächerlich, aber so fühlte sie sich.
Sie sank in die warmen Tiefen des Bades und griff nach einem grünen Glas, das am Rand der Wanne stand. Als sie ein wenig von dem Inhalt ins Wasser goss, war sie überwältigt von dem Duft. Er war süß und blumig - und irgendwie vertraut. Die kleine Tür aus ihrem Traum kam ihr lebhaft in den Sinn. Was lag hinter ihr? Es war gar keine richtige Tür, aber sie wusste, sie hatte irgendeine Bedeutung.
Sie schloss für einen Moment die Augen, und der süße Blumenduft schien sie zu beruhigen. Sie war wieder klein, und sie saß in einer Wanne mit warmem Wasser, das mit derselben grünen Mischung parfümiert war. Anmutige Arme hatten sie in die Wanne gehoben. Wessen Arme? Margaret war sich beinahe sicher, dass die Arme jener rothaarigen Frau gehörten, die durch ihre Alpträume spukte. Und da war noch jemand, eine Person, die sie nicht sehen konnte. Der silberhaarige Mann? Und urplötzlich erinnerte sich Margaret an eine zweite Nacht kurz vor ihrer Abreise von Thetis, eine Nacht, die sie mit all den anderen aus ihrem Bewusstsein gesperrt hatte. Bevor sie abreiste, hatte sie tagelang vor Aufregung kaum geschlafen, hatte ein dutzend Mal gepackt und wieder ausgepackt und sich nicht entscheiden können, was sie bei dem knappen Gewichtslimit mitnehmen sollte. Schließlich war sie nach unten gegangen, um sich etwas Langweiliges zum Lesen zu suchen, damit sie einschlafen konnte.
Der Alte saß am Kamin, ein Glas in der Hand. Ihre Erinnerung rekonstruierte jede Linie seines Gesichts; den dunklen, struppigen Bart, die tiefen Furchen zwischen seinen Augenbrauen und die Narben, die er mit hautfarbenem Make-up abdeckte, wenn er aus dem Haus ging. Als sie noch klein war, hatte sie ihn oft gefragt, woher die vielen Narben stammten, aber er hatte ihr nie geantwortet. Später hatte sie gelernt, keine Fragen zu stellen, sich an nichts zu erinnern und niemals seine strengen Befehle zu missachten.
Er blickte auf, und ein halbes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Marja.« Er hatte sie immer so genannt. In ihrem Pass stand »Margaret«, aber Dio und der Senator nannten sie immer Marja. »Aufgeregt?«
»Ein bisschen. Ich konnte nicht schlafen. Ich nehme an, ich komme auf dem Schiff dazu.«
»Das bezweifle ich«, sagte er. »Bei unserer Abreise von … Als wir hier ankamen, warst du ziemlich krank. Anscheinend hast du meine Allergien auf die meisten Hyperraum-Medi-kamente geerbt, obwohl sie inzwischen ja ein paar neue entwickelt haben. Marja, erinnerst du dich überhaupt an irgend-etwas, bevor du hierhergekommen bist?« Obwohl er freundlich gesprochen hatte, blieb ihr aus irgendeinem Grund bei seiner Frage vor Entsetzen fast das Herz stehen. »Nicht an viel«, sagte sie. »Ich war ja praktisch noch ein Baby.«
»Aber nein. Du warst beinahe sechs, in dem Alter erinnert man sich schon an eine ganze Menge. Nichts? Nicht einmal in Träumen?« »Eigentlich nicht.« Sechs? Da irrte er sich bestimmt. Wie hätte sie sechs Jahre ihres Lebens vergessen können? Margaret war zornig und fühlte sich betrogen. Es war ein alter und bitterer Zorn, und sie wünschte, sie hätte ihn nicht. Er stieg bei den merkwürdigsten Gelegenheiten in ihr auf- wenn Dio zu erklären versuchte, warum sich der Senator ihr gegenüber so komisch benahm, oder wenn sie Fragen stellte und man ihr befahl, still zu sein. »Träume? Natürlich träume ich … wie alle Leute.«
»Wovon?«, fragte er sofort.
»Ach, den üblichen Unsinn«, erwiderte sie gleichgültig. Die paar Monate im Jahr, in denen die drei zusammen waren, wenn der Senator nicht in irgendwelchen Angelegenheiten unterwegs war, hielten sie eine solche Distanz zueinander, dass sie so etwas wie ein Familienleben gar nicht hatten. Seine Frage kam ihr wie eine Verletzung der Privatsphäre vor, die jeder für sich
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