Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
jedoch sagen, dass es auf Darkover nie einen Religionskrieg gab, aber mehrere aus den sonst üblichen Gründen.« »Ist dir schon einmal aufgefallen, Marguerida, dass du von den Darkovanern sprichst, als wären sie ein fremdes Volk, nicht dein eigenes?« »Tatsächlich? Ja, ich glaube, du hast Recht. Obwohl ich schon fast siebzehn Jahre lang hier lebe, fühle ich noch immer eine gewisse Distanz, als käme ich von einer anderen Welt.
Oder vielleicht ist es auch die Haltung einer Gelehrten, die mich alles möglichst objektiv beurteilen lässt. Außer was Musik angeht. In dieser Beziehung kenne ich nur Leidenschaft, und Mik wird manchmal sogar ein bisschen eifersüchtig.« Katherine lachte. »Herm geht es mit meiner Malerei genauso, auch wenn er es nicht zugibt. Einmal kam er herein, als ich in unserer Wohnung arbeitete – die insgesamt fast in dem Atelier Platz hätte, das du mir gegeben hast –, auf meine Leinwand starrte und überlegte, ob ein bisschen Zinnoberrot in den Schatten gut täte. Ich habe seine Anwesenheit kaum registriert, deshalb hat er sich nach ein paar Minuten geräuspert und mich fast zu Tode erschreckt. So siehst du mich nie an, sagte er, und ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst, aber ich tat es nicht. Er hat nämlich Recht. So sehr ich ihn auch anbete, von seiner Spiegelglatze bis zu seinen äußerst wo hlgeformten Füßen – ein Teil von mir gehört nur meiner Arbeit. Er muss nie befürchten, ich könnte ihm untreu werden, aber er hat in der Tat Konkurrenz.«
Marguerida entfuhr ein Seufzer. »Ja, ich kenne das. Ich habe gerade an einer Oper zu Regis’ Geburtstag geschrieben, als er starb. Ich wollte etwas so Großartiges schaffen wie Die Flut von Ys deines Vorfahren und habe dazu die Legende von Hastur und Cassilda benutzt, einen berühmten Liederzyklus auf Darkover. Jetzt weiß ich nicht, ob ich mich wohl je aufraffen kann, sie zu vollenden.« Dieses Eingeständnis kostete sie große Überwindung, aber irgendwie linderte es einen Schmerz in ihrer Brust, den sie bis dahin gar nicht bemerkt hatte. Sie dachte an die frisch abgeschriebenen Partiturseiten und wie die Tinte darüber geflossen war, als Regis seinen Schlaganfall erlitt.
»Du musst sie vollenden, Marguerida. Wenn du es nicht tust, wird es dir ewig nachhängen und dich unglücklich machen.« »Woher weißt du das?« »Weil ich Künstlerin bin und weil ich mich an Amedi Korniel erinnere.« »Ich will dich schon die ganze Zeit nach ihm fragen, aber irgendwie scheint nie der richtige Moment dafür zu sein.« Marguerida war beinahe erleichtert, dass sich das Gespräch von Göttinnen und Göttern wegbewegte oder von ihrem Gefühl des Fremdseins auf ihrem Geburtsplaneten.
»Frag ruhig – jetzt passt es so gut wie irgendwann.« »Wie war er, und warum hat er aufgehört zu komponieren, als er Mitte sechzig war?« »Mein Großonkel war ein sehr streitsüchtiger Mensch, der zu allem seine Meinung kundtun musste. Er war Mitte achtzig, als ich zur Welt kam, und er starb, kurz bevor ich Renney verließ. Nana hat ihn angebetet, er war ihr älterer Bruder, aber selbst sie fand ihn manchmal zum Verrücktwerden. Er war ein fürchterlicher Egoist und dachte, die Welt müsse sich immerzu um ihn drehen. Und er hat gar nicht aufgehört zu komponieren – er ließ nur nicht zu, dass nach Ys noch etwas von seinem Werk aufgeführt wurde. In unserem Haus stehen noch mehrere Schachteln mit seinen Kompositionen.« »Aber wieso?« Margueridas Herz machte einen freudigen Sprung beim Gedanken an diese unveröffentlichten Kompositionen eines ihrer Lieblingsmusiker, doch dann wurde ihr mit einem Gefühl der Resignation klar, dass sie niemals die Gelegenheit haben würde, sie zu sehen. Schon Jahre zuvor hatte sie sich damit abgefunden, dass sie Darkover nie mehr verlassen würde, und das Verlangen, zu anderen Welten zu reisen, war verschwunden, aber jetzt sehnte sie sich danach, Renney zu bereisen und die Werke Amedi Korniels zu retten. Sie schü ttelte das Gefühl entschlossen ab, aber es blieb zurück wie der Nachgeschmack einer bitteren Frucht.
»Er war nach dem Erfolg dieser Oper mit nichts mehr zufrieden, was er schrieb. Es hat an ihm gezehrt wie eine schreckliche Krankheit. Er war wie gelähmt vo n der Angst, dass sein nächstes Werk nicht mehr so gut sein könnte. Also lerne aus seinem Fehler. Lass dir deine Musik weder von Regis’ Tod noch von irgendetwas anderem verderben!« Marguerida war gerührt von der Leidenschaft in Katherines
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