Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
auf, und ihre Augen über dem Schleier waren müde. Das hier ist die Letzte, mein Freund. Diese noch, und dann sind wir fertig.
Also wollte sie ihn diesmal umbringen. Es hatte Zeiten gegeben, da hätte Thierry bei dieser Aussicht vor Freude geweint. Aber sie hatten ihm seinen Sohn und seine Angel genommen, und dafür mussten sie bezahlen.
Alex hatte noch nie ein schöneres Geräusch gehört als das Klappern der letzten Klemme, die oben auf die anderen verschmutzten Instrumente auf dem dafür vorgesehenen Tablett fiel. Sie blickte über den Operationstisch zu Heather, die das restliche Blut von Thierrys Fußsohlen abwusch.
»Wir sind fertig«, sagte sie.
Heather zog die Maske herunter und lächelte. »Soll ich nach oben gehen und es Mr Cyprien sagen?«
»Du solltest nach oben gehen und drei Tage schlafen. Ich habe dich fast zu Tode schuften lassen.« Alex betrachtete ihren Patienten. »Na los, Heather. Ich mach das hier fertig.«
Alex überprüfte Thierrys Werte, die konstant waren, und seine Pupillen, die normal auf das Endoskoplicht reagierten. Seine Atmung ging etwas schneller, als ihr lieb war, aber die Operation war beendet, deshalb musste sie ihn nicht noch einmal betäuben. Sie freute sich sogar schon darauf zu sehen, wie er aufwachte und feststellte, dass seine Beine und Füße wieder heil waren.
Hoffentlich funktionieren sie, wenn er zu laufen versucht.
Sie hob das Instrumententablett hoch und trug es hinüber zu dem Sterilisator. Jetzt, wo es vorbei war, dachte sie darüber nach, Cyprien zu bitten, ihr den nächsten Flug nach Chicago zu buchen. Sie hatte die Unterlagen über die Männer, die Luisa Lopez überfallen hatten, und die Freiheit, sie sich zu holen. Sie wusste bis ins letzte Detail, was die Männer ihr angetan hatten. Sie konnte sicherstellen, dass sie etwas von dem zu spüren bekamen, was Luisa erlitten hatte.
Hinter ihr raschelten Laken, und sie drehte sich zu Thierry um. Er war immer noch bewusstlos.
Alex tauchte die Instrumente in ein Alkoholbad und ging zum Waschbecken, um sie abzuspülen. Einer der Handschuhe war gerissen, ohne dass sie es gemerkt hatte, und Thierrys Blut klebte an ihrer Handfläche. Sie starrte auf die roten Flecken, beinahe hypnotisiert davon.
Sie konnte nicht nach Chicago gehen.
Sie hatte bereits einmal getötet. Das wa r – im weitesten Wortsinn e – Notwehr gewesen. Außerdem hatte sie den Mann in der Bar schwer verletzt und egal, wie sehr sie es auch versuchte, sie konnte sich deswegen nicht schlecht fühlen. Aber wenn sie sich Luisas Angreifer holte, dann war es keine Notwehr oder eine wohlverdiente Strafe. Dann würde sie sie jagen, sie foltern und exekutieren.
Dann wäre sie nicht besser als diese Männer.
Cyprien wollte, dass sie blieb. Ärztin für die Kyn zu sein war nicht unbedingt ihre Vorstellung von einer anständigen medizinischen Karriere, aber er hatte recht: Sie hatten niemanden. Sie konnte sich nicht vorstellen, für alle Ewigkeit ohne einen heilen, funktionierenden Körper zu leben. Wenn sie die Kyn im Stich ließ und die Verrückten sie weiter fingen und folterten, dann konnte das passieren.
Cyprien, der blind und ohne Gesicht allein durch die Jahrhunderte wanderte. Alex konnte nicht daran denken, ohne dass ihr übel wurde.
Als sie mit der Reinigung fertig war, wusste sie, was sie tun würde. Sie würde die Unterlagen, die Cyprien ihr gegeben hatte, an den Detective schicken, der Luisas Fall bearbeitete. Das war nicht fair; es war auch nicht das, was sie tun wollte, aber es war gerecht. Und was ihr Talent anging, musste sie die Killer nicht davonkommen lassen. Jede Stadt hatte eine gebührenfreie Nummer, die man anrufen und Hinweise auf Verbrechen geben konnte. Sie konnte sie benutzen, um alles, was sie erfuhr, weiterzugeben und trotzdem anonym bleiben.
Sie fühlte sich viel besser, als sie sich wieder zum Operationstisch umwandte. »Ich glaube, ich habe gerade drei Viertel meines Lebens neu geordnet«, sagte sie zu Thierry, während sie geistesabwesend die zu straffen Gurte um seinen Oberarm lockerte. »Jetzt muss ich nur noch entscheiden, ob ich hierbleibe oder mir irgendeinen anderen Ort suche, an dem ich mein Praxisschild aufhänge.«
Thierrys Arm zuckte.
»Oh nein, du bist noch nicht bereit, mit mir Walzer zu tanzen, großer Junge.« Alex drehte sich um und wollte eine Spritze holen. Sie runzelte die Stirn, als sie plötzlich von Gardenienduft umgeben war.
Gurte rissen; Hände griffen von hinten nach ihr. Alex erhaschte einen
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