Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
verschiedenen Gefahren entgehen, wohingegen diejenigen, welche sich am wenigsten um ihre Kameraden kümmern und einzeln leben, in größerer Anzahl ums Leben kommen.“ Das größte Vergnügen an der Gesellschaft - schöner kann man die Bedeutung des heute so gern verwendeten Begriffs der „sozialen Kompetenz“ wohl kaum umschreiben.
Über die weite Verbreitung geselligen Verhaltens zum Nutzen aller (inklusive echter Symbiosen), schreibt Darwin an anderer Stelle: „Tiere vieler Spezies leben in sozialer Gemeinschaft; wir finden sogar, dass verschiedene Arten zusammenleben, etwa einige amerikanische Affen und sich vereinigende Scharen von Raben, Dohlen und Staren […]. Der gewöhnlichste Dienst, den sich höhere Tiere gegenseitig erweisen, ist, dass sie sich mittels ihrer vereinten Sinne untereinander vor Gefahr warnen […]. Soziale Tiere verrichten gegenseitig manch kleinere Dienste […], leisten sich auch wichtigere Dienste; so jagen Wölfe und andere Raubtiere in Gruppen und unterstützen einander beim Erlegen ihrer Beute; Pelikane fischen in Gemeinschaft. Hamadryas-Paviane wenden Steine, um darunter Insekten zu suchen, und wenn sie an einen großen (Stein) gelangen, wenden sie ihn gemeinsam um und teilen die Beute. Soziale Tiere verteidigen sich gegenseitig.“
Dass soziale Verhaltensformen nicht die Folge einer Domestikation durch den Menschen sind, sondern das Resultat der natürlichen, auf Nutzenbringung fokussierten Selektion, umschreibt Darwin mit folgenden Worten: „Es ist oft angenommen worden, dass Tiere an erster Stelle gesellig gemacht wurden und sich als Folge hiervon unwohl fühlten, wenn sie voneinander getrennt wurden, und wohl, so lange sie zusammen waren. Wahrscheinlicher ist jedoch die Ansicht, dass diese letzteren Empfindungen zuerst entwickelt wurden, damit diejenigen Tiere, welche aus dem Leben in Gesellschaft gegenseitigen Nutzen zögen, zum Zusammenleben veranlasst würden […].“
3. Der Zufall: Darwin wusste nichts von DNA und Mutationen, von Genen und Rekombinanten. Aber er sah Vielfalt, eine schier grenzenlose Varianz von Merkmalen, die offensichtlich in Anpassung an die besonderen Erfordernisse spezieller Lebensführungen verschiedener Populationen entwickelt wurden und im Kern auf mehr oder weniger nahe Verwandtschaft schließen ließen. Über die Mechanismen der Konservierung solcher Adaptationen, d. h. die Überführung in stabile,v e r e r b a r eMerkmalsänderungen, konnte Darwin keine Angaben machen. Mutative/rekombinante Veränderung von Nukleotidsequenzen in Genen – das waren bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Fremdworte bzw. noch gar nicht geprägte Begriffe. Die Zufälligkeit der primären Varietätenproduktion, also die Nichtvorhersagbarkeit von Mutationen und Neukombination des genetischen Materials während der Geschlechtszellreifung, war von Darwin nicht abzuschätzen. Er sah nur ein enormes Spektrum an Formenvarianz, wie immer dessen Produktionsweg auch gewesen sein mochte. Und er erkannte, dass das Schicksal jeder einzelnen Varietät nicht vom Zufall bestimmt, sondern Objekt einer natürlichen Zuchtwahl (Selektion) mit der Zielrichtung einer Optimierung der Lebensfähigkeit war. „Man kann figürlich sagen, die natürliche Zuchtwahl sei täglich und stündlich durch die ganze Welt beschäftigt, eine jede, auch die geringste Abänderung zu prüfen, sie zu verwerfen, wenn sie schlecht, und sie zu erhalten und zu vermehren, wenn sie gut ist.
Still und unmerkbar ist sie überall und allezeit, wo sich Gelegenheit darbietet, mit der Vervollkommnung eines jeden organischen Wesens in Bezug auf dessen organische und unorganische Lebensbedingungen beschäftigt.“
(Aus:
„Von der Entstehung der Arten“, Kapitel 4 .)
Darwin stellt hier eindeutig klar, dass in jeder Phase der biologischen Evolution das jeweils aktuelle Organismenspektrum keinesfalls als Produkt reinen Zufalls – vergleichbar den Wirbelsturmhinterlassenschaften auf einem Schrottplatz – ausgelegt werden kann. Die Bedeutung der Selektion als richtunggebender, stets an den aktuell herrschenden Umweltbedingungen justierter Evolutionskomponente zieht sich wie ein roter Faden durch „
Die Entstehung der Arten
“.
Im Vergleich zur molekularwissenschaftlich geprägten Gegenwart spielte bei Darwin selbst der Zufallsbegriff noch eine weit weniger brisante Rolle, da die Kenntnis der Zufälligkeit DNA-verändernder Prozesse komplett fehlte. Demzufolge musste sich Darwin selbst aus dieser Richtung kaum
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