Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
pflanzliche Physiologie der tierischen qualitativ in nichts nachsteht und messbare elektrische Potenziale durchaus auf ein pflanzliches Gefühlsleben deuten. Gerade in jüngster Zeit liefern aktuelle Forschungen interessante Hinweise. Allzu weltverbesserisch daherkommende Veganer sollten sich hier einmal Gedanken über ihre Wertschätzung pflanzlichen Lebens machen und sich fragen, ob unser zum Teil lebensunwürdiger Umgang mit tierischen Lebewesen nicht eher das Resultat eines rein quantitativen Fehlverhaltens (Überkonsum und Fehlverteilung) ist als eine qualitative Frage. Zwar deutet das Gebiss unserer Ururahnen sicher auch auf eine originär vegetarische Ernährungsweise. Doch dürften die Entwicklungen der Jagdfähigkeit (Evolution von Kommunikation und Sozialverhalten) sowie der Viehzucht im Rahmen der Sesshaftigkeit mit entscheidend das Überleben von Homo gesichert haben. Die Nutzbarmachung tierischer Produkte hat nicht nur in Zeiten und Regionen knappen (pflanzlichen) Nahrungsangebotes wesentlich zu unserem Gattungserhalt beigetragen. Der heute in den Industrienationen von Überfluss (XXL-Restaurants, All you can eat usw.) und teils dekadenten Genussbedürfnissen geprägte Umgang mit (Zucht)Tieren darf nicht mit der evolutionär als vorteilhaft selektionierten Fähigkeit zur Nutzung tierischer Nahrungsquellen verwechselt werden. Den Fleischverzehr generell als ungesund oder gar unnatürlich darzustellen ist ebenso unsinnig wie Überdosierung und Medikamentenmissbrauch als Argument für die Verdammung jeglicher medikamentöser Therapie vorzubringen.
Insgesamt kann aus der Lektüre von Darwins Arbeiten und moderner evolutionsbiologischer Literatur eines ganz sicher abgeleitet werden. Auch wenn der Tod durch direkten konfrontativen Kontakt zwischen Individuen im Bereich der Nahrungsketten Teil der Evolution ist, entbehrt die von den Kritikern vorgenommene Beschränkung des Überlebenskampfes auf ein kriegerisches Vernichtungsszenario jeglicher Grundlage. Eine solche Darstellung wurde weder vom Begründer der Evolutionstheorie selbst noch von seinen interdisziplinär arbeitenden Nachfahren je vorgenommen.
2. Konkurrenz belebt das Geschäft: Darwin erkannte, dass der Einfluss der Konkurrenz um Ressourcen umso größer ist, je ähnlicher das Anforderungsprofil der Wettstreiter angelegt ist: „Da die Arten einer Gattung gewöhnlich, doch keinesfalls immer viel Ähnlichkeit miteinander in Lebensweise und Konstitution und immer in der Struktur besitzen, so wird der Kampf zwischen Arten einer Gattung, wenn sie in Konkurrenz miteinander geraten, gewöhnlich ein heftigerer sein als zwischen Arten verschiedener Genera.“
Dies deutet auch auf eine besondere Gewichtung der innerartlichen Konkurrenz sowohl zwischen Varietäten einer Art und auch Individuen einer Population. Das ruft natürlich die Anti-Darwinisten auf den Plan. Innerartliche Individualkämpfe – das sei doch Harakiri, Populationssuizid, aber kein Faktor für Positiventwicklung. Die „Konkurrenz-belebt-das-Geschäft-Weisheit“ träfe demnach bei Darwin ganz und gar nicht zu.
Wenn man Konkurrenz auf Mord reduziert, mag das stimmen. Doch sollte man dann lieber Science-Fiction-Romane schreiben und die reale Science den Wissenschaftlern überlassen. Natürlich belebt ein Brudermord nicht das (Evolutions-)Geschäft. Wer aber den Fitnessbegriff über das plumpe Rohheitsmoment hinaus definiert, wer Intelligenz und Kooperation, Führungsqualitäten und Logistik mit einschließt, der erkennt in der innerartlichen Konkurrenz einen Stabilisierungsfaktor, der die Chancen im Gesamtkomplex „Survival“ steigert. Innerartliche Selektionen erhöhen den Gesamt-Fitnesszustand der Population und steigern damit die Erfolgsaussichten auf höheren taxonomischen Ebenen (Arten, Klassen usw.). Und es sei noch einmal ausdrücklich hervorgehoben: Konkurrenz und Kooperation sind keine Gegensätze. Teamwork lässt sich kompetitiv verbessern. Schon Darwin verstand Kooperation nicht als Gegenhandlung zur natürlichen Selektion, sondern als deren Resultat. Zur Bedeutung sozialen Verhaltens für die Stabilität und das Überleben einer Gemeinschaft bezieht Darwin eindeutig Stellung. So schreibt er etwa im vierten Kapitel seines zweiten großen Werkes „Die Abstammung des Menschen“: „Bei denjenigen Tieren, welche durch das Leben in enger Gesellschaft bevorzugt wurden, werden diejenigen Individuen, welche das größte Vergnügen an der Gesellschaft empfinden, am besten
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