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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tectum Wissenschaftsverlag Marburg
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eine Laubblatt-Mimese, wenn diese doch erst 150 Millionen Jahre später mit dem Erblühen von Laubwäldern richtig effektiv wurde? Hat die Selektion hier glatt ein paar Äonen verschlafen und die suboptimale Fähigkeit der Blattimitation durch ihre Maschen schlüpfen lassen? Eine Camouflage als „
Wandelnde Nadel
“ wäre doch da viel sinnvoller gewesen. Wie so oft scheint diese Argumentation der Kritiker auf den ersten Blick gar nicht so unlogisch – aber eben nur auf den ersten Blick. Wer hinter die Kulissen schaut, entdeckt drei grobe Interpretationsfehler.
    Fehler 1: Die Selektion ist keine Produktionsmaschinerie, die bedarfsorientiert designt. Sie ist einzig eine Bewertungsinstanz. Das heißt, sie kann nur aus dem Angebot auswählen, das von der Varietäten hervorbringenden Kreativabteilung – also durch planlose Mutations- und Rekombinationsaktivität am Erbmaterial – angeliefert wird. Das Auftreten neuer Varietäten erfolgt weder vorausschauend noch gibt es ein direktes Feedback der fertigen Produkte. Die Herstellung bleibt also plan- und orientierungslos, wird nicht auf ein bestimmtes Ziel wie optimale Umweltanpassung fokussiert. Die Richtung wird einzig von der Selektion festgelegt, doch funktioniert diese völlig unabhängig von der Herstellungsebene und kann daher keine direktiven Vorgaben machen wie: „Wir brauchen jetzt genau diese und jene Mutation, z. B. Gespensterschrecken in Nadelform.“ Durch diese fehlende Rückkopplung von der Selektions- auf die Produktionsebene und die fehlende Steuerbarkeit der Produktion ist die Evolution insgesamt auch nicht lernfähig. Es werden also immer Produkte verschiedenster Qualitätsgrade hervorgebracht, darunter auch völlig unbrauchbare Muster, die dann erst im selektiven Konkurrenzkampf ihre „No-Go-Bewertung“ erhalten. Uns auf maximale Wirtschaftlichkeit und Tempo programmierten Industriemenschen mag dies alles unökonomisch erscheinen. Aber die Natur erhält sich durch diesen von Redundanz geprägten Produktionsmechanismus die Fähigkeit, „schnell“ selbst auf drastische Veränderungen der Umweltbedingungen reagieren zu können. Wenn permanent ein großes Spektrum unterschiedlichster Qualitäten hergestellt wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass nach einer einschneidenden Umwälzung sofort wieder relativ gut angepasste Formen vorhanden sind. Möglicherweise sind das dann gerade jene Kreaturen, die vor der Katastrophe nur ein unterprivilegiertes Schattendasein fristeten, eben solche Formen, die von den Kritikern zum unnötigen Ballast degradiert, als Gegenargument zum Mutations/Selektions-Prinzip eingesetzt werden. Dabei sollten sich diese so aufmüpfigen Haderer einmal ins Gedächtnis rufen, dass sie allein dem evolutionären Mitschleppen solch „unnötigen Ballastes“ ihre heutige „Meckerfähigkeit“ verdanken. Ohne diesen verschwenderisch erscheinenden Mechanismus wären nämlich zur Blütezeit der Saurier die damals in duckmäuserischer Zurückhaltung lebenden Säugetiere – kleine Spitzhörnchenartige Insektenfresser - samt aller anderen Nobodys wegrationalisiert worden. Die Evolution hätte dann nach der Katastrophe vor dem Nichts gestanden. Ein kompletter Neustart wäre wohl unumgänglich gewesen, und die 65 Millionen Jahre bis zur Gegenwart hätten sicher nicht ausgereicht, ein intelligentes Wesen hervorzubringen, das heute über die Arbeit anderer herzuziehen vermag. Tatsächlich aber standen direkt nach dem Sauriersterben mit den zuvor nur „mitgeschleppten“ Kleinsäugern bereits relativ hoch entwickelte Nachwuchstalente auf dem Plan, die binnen einiger Zehnmillionen Jahre behutsam bis zum Homo sapiens aufgebaut werden konnten. Dessen heutige Position ist im Hinblick auf zu erwartende zukünftige Megaumwälzungen aber keinen Deut sicherer, als es diejenige der Saurier einst war. Leider werden wir nie erfahren, wer unter den heutigen Underdogs nach der nächsten (anthropoziden?) Katastrophe unsere derzeitige Rolle übernehmen wird.
    Die Selektion jedenfalls ist immer auf das angewiesen, was die „blinden Konstrukteure“ 24 auf der experimentierfreudigen Mutations-Spielwiese hervorbringen. Und wenn aus dieser Ecke im Nadelholzzeitalter keine Gespensterschrecken im Nadel-Tarnkleid, sondern nur im Blatt-Outfit vorgeführt wurden, konnte die Selektion auch keine „Wandelnden Nadeln“ aus dem Hut zaubern. Die vorhandenen Blattimitate waren dann eben die besten real existierenden Tarnkleider und erhielten quasi als

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