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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tectum Wissenschaftsverlag Marburg
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das Milchzucker spaltende Enzym nach Abschluss der Säuglingsphase einzubauen. „Mutanten“, die das Enzym auch im Erwachsenenalter in vollem Umfang herstellten, mussten zwar keine Nachteile in Kauf nehmen, zogen aber auch keinen Nutzen aus ihrer „Überschussproduktion“. Da die Erhaltung der lebenslangen Genaktivität seitens der Selektion keine Unterstützung erfuhr, wuchs der Mutantenbestand nicht an und das Gros unserer Urväter lief weitgehend laktasefrei durchs Leben – aufgrund des fehlenden Milchkonsums auch ohne jedes Bauchgrimmen. Das sollte sich jedoch ändern, als „wir“ mit Beginn der Jungsteinzeit (Neolithikum) vor etwa zehntausend Jahren sesshaft wurden und den Ackerbau sowie die Viehzucht (vor ca. 8000 Jahren) für uns entdeckten. Als haustierhaltende Landwirte erkannte Homo nun auch die Milch von Nutztieren als ergiebige Nahrungsquelle. Allerdings dürfte der Verzehr bei einem Großteil der Individuen mit einigen „blähenden“ Problemen behaftet gewesen sein. Neidisch schaute man dann auf die wenigen Glücklichen, die den schmackhaften „Rindersaft“ nebenwirkungsfrei verdauen konnten. Diese Fähigkeit gewann besonders in Jahren mit geringen Ernteausbeuten an Bedeutung. Als wertvoller Energie-, Vitamin- und Calciumspender dürften Kuh- und Ziegenmilch denjenigen, die sie verdauen konnten, einen echten Überlebensvorteil gebracht haben. Das heißt, diese raren Mutanten, die ihre ungedrosselte Laktase-Produktion trotz ursprünglich fehlender selektiver Begünstigung, beibehalten hatten, erfuhren nun einen echten Selektionsvorteil. Ein Auslesedruck zur Erhaltung der vollen, lebenslangen Laktasegen-Aktivität wurde generiert.
    Zur Information für alle molekulargenetisch Interessierten: Biochemisch handelt es sich um eine doppelte Basenaustauschmutation auf dem Chromosom Nummer 2. An Position 13910 ist eine CC-Sequenz durch eine TT-Folge ersetzt. Diese kleine Veränderung verhindert den Produktionsstopp der Laktase nach der Säuglingsphase, sodass die Betroffenen auch im Erwachsenenalter Milchzucker problemlos verwerten können. Ohne diese Mutation dagegen gelangt die Laktose unverdaut in den Dickdarm, wo sie von Bakterien vergärt wird. Dies verursacht Blähungen und Durchfall.
    In Populationen, die der Viehzucht und der Verwendung von Nutztiermilch zur eigenen Ernährung treu blieben, vermehrte sich aufgrund des wirkenden Selektionsdruckes im Laufe der Jahrhunderte die bevorzugte Laktase produzierende Variante. In Regionen, in denen (Fremd)Milch nicht auf dem Speiseplan stand, blieb alles beim Alten. Das Ergebnis sehen wir heute. Während in Mitteleuropa über 85 %, in Nordeuropa gar über 95 % der Bevölkerung Laktose spalten können, sind in weiten Teilen Afrikas und besonders im asiatischen Raum mindestens vier von fünf Menschen intolerant. In Südostasien sind verdauungsfähige Individuen geradezu eine Rarität (98 % Unverträglichkeit).
    Da dieses Beispiel ja zur Veranschaulichung der Größenordnung von Evolutionsgeschwindigkeiten dienen soll, ist der zeitliche Ablauf des Ganzen interessant. Hierzu liefern moderne molekularbiologische Studien aussagekräftige Befunde. Demnach ist die Laktoseintoleranz stammesgeschichtlich die ursprüngliche Konstitution des erwachsenen Menschen. Die Fähigkeit der Mittel- und Nordeuropäer, Milchzucker durch lebenslange Produktion von ausreichend Laktase problemlos zu verdauen, ist demnach ein relativ junger genetisch determinierter Neuerwerb. In einem 2007 publizierten Kooperationsprojekt einer Arbeitsgruppe um den Mainzer Anthropologen Prof. Joachim Burger mit Kollegen vom University College London wurden DNA-Proben von neun nord- und zentraleuropäischen Skeletten aus der Jung- und Mittelsteinzeit molekulargenetisch analysiert. Das Alter dieser Knochenfunde lag zwischen 7800 und 7200 Jahren, reicht also in die Zeit zurück, als in Europa die ersten Viehherden gehalten wurden. In keiner dieser Erbgutproben konnte die mutierte Genvariante, die zu lebenslanger Laktaseproduktion befähigt, nachgewiesen werden. Unter den ersten Viehzüchtern dürften also nur sehr wenige gewesen sein, die die so nährstoffreiche Milch für die eigene Ernährung nutzen konnten. Diese Situation sollte sich aber recht schnell ändern, wie Vergleichsanalysen mit Proben von Skeletten aus der Merowingerzeit (vor etwa 1500 Jahren) zeigten. Den wenigen mit der lebenslangen Potenz zur Laktoseverdauung ausgestatteten steinzeitlichen „Mutanten“-Bauern bescherte die

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