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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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menschlichen Struktur, das uns als westlichen Biologen des 20. Jahrhunderts etikettiert oder als Ghetto-Rabbi oder als römischen Centurio oder als französischen Höfling des 17. Jahrhunderts oder – wie die meisten Menschen zu den meisten Zeiten – als ausgebeuteten Bauern.
    Zu jeder dieser Rollen gehört ein anderes Ensemble emotionaler Etiketten für Geld, für Priester, für Sex, für Nacktheit, für den Tod, für die Geburt. Bis vor kurzem haben die meisten Menschen dieses unreflektierte Ensemble von Glaubensvorstellungen mit einem theistischen (persönlichen, menschenähnlichen) Gott oder mit einem deistischen Gottgebilde (irgendetwas da oben mit außergewöhnlicher Macht) unterlegt, sodass die emotionalen Etiketten für wichtige Erinnerungen stark von Gott eingefärbt waren. Wenn wir uns daran erinnern, können sie Sünde, Buße, Erlösung oder Versuchung sein. Sie können eine Mitzwa sein (eine Wohltat) oder Rache oder Barmherzigkeit. Indem sie uns vermittels ihres ›Mach-einen-Christen‹- oder ›Mach-einen-Maja‹-Baukastens in unsere Kultur einführen, vergeben Religionen Etiketten von unterschiedlicher Stärke an – beispielsweise – Menschenopfer, sodass damit im Leben des Erwachsenen eine Vielzahl von Assoziationen verknüpft ist. Unsere Vorurteile als Erwachsener und unsere wissenschaftlichen Theorien legen sich über diesen verrückten Mischmasch von historischen Irrtümern, schlecht verstandenem Schulwissen, Mathematik und Statistik, die für uns kaum Sinn haben, Gottgeschichten von Kausalität, Ethik und pädagogischen Lügen-für-Kinder, die es dem Lehrer erlauben, auf Fragen der Kinder zu reagieren, ohne sein Gehirn zu überfordern.
    Dieser geistige Mischmasch wird sehr gut vom Wechsel unserer Einstellung zum Mars illustriert. In der Antike war Mars als ›Wandelstern‹ bekannt, als ein Planet; seine rötliche Farbe weckte blutige Assoziationen, also brachten ihn die Römer mit ihrem Kriegsgott in Verbindung. Auch in der Astrologie, wo die sichtbaren Sterne und Planeten alle etwas bedeuteten , hatte er mit Krieg zu tun. Wir werden uns eine Menge unterschiedliche Assoziationen ansehen, die mit dem Wort verknüpft sind* [* Aber nicht unbedingt die Süßware, die nach dem Familiennamen des Erfinders heißt; er kam aus den USA nach England und hat auch M&M erfunden. Das steht für ›Mars und Mars‹.] – wie sich Mythen und rationales Denken mit dem Planeten befassten, wie in hunderten von Geschichten der Mars und die Marsianer vorkamen und wie sich das wissenschaftliche Bild vom Mars im Lauf der Jahrhunderte veränderte.
    Wir sollten nicht fragen: »Welches ist der wahre Mars?« Wir gewinnen an menschlicher Statur, wenn wir alle diese Aspekte betrachten; von diesem Standpunkt aus gibt es eigentlich keinen wahren, wirklichen, objektiven Planeten, mit dem sich unser Geist nutzbringend beschäftigen könnte. Unsere einfachen, kausalen Linien können kein reales astronomisches Objekt erfassen, gar eine Welt, die es da draußen tatsächlich gibt, sodass wir sie sehen können. Das ›es‹, welches wir sehen, kann die Scheibe sein, deren scheinbare Linien Giovanni Schiaparelli ›canali‹ nannte, was Percival Lowell (dessen Italienisch schwach gewesen sein muss, denn das Wort bedeutet ›Rillen‹) dazu anregte, sie als künstlich angelegte Kanäle zu betrachten. Er schrieb Mars als Wohnsitz des Lebens und legte damit den Grundstein für den legendären Mars des 20. Jahrhunderts.
    Zwischen den Weltkriegen schauten alle im Westen und viele im Osten zum Nachthimmel auf und sahen feindselige Marsianer – ein geistiger Nachhall des in den Zwanzigerjahren geläufigen Bilds von einem austrocknenden, sterbenden Mars. Das Bild wurde überlagert vom Bild aus dem Krieg der Welten , das zeigte, wie neidische, grimmige, widerwärtige Dreifuß-Marsianer auf der Erde (oder zumindest in England) einfallen. Darüber hatte sich für viele, die im Freien kampierten oder unter den Sternen schliefen, ein romantischeres Bild gelegt: Barsoom. Edgar Rice Burroughs, bekannt durch seine Tarzan-Geschichten, hatte einen Mars erfunden, dessen ausgetrocknete Meeresböden die Heimat grüner marsianischer Kriegerhorden waren, sechsbeiniger zentaurenähnlicher Geschöpfe, deren Eier-Brutkästen regelmäßig heimgesucht wurden. John Carter, ein ehemaliger Offizier der Südstaaten-Armee, hatte sich mit der Kraft des Wünschens auf den Mars versetzt, war von den grünen Marsianern gefangen genommen worden, fand sich jedoch bald

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