Ein Sommer und ein Tag
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1
P iep. Piep. Piep. Piep. Piep.
Meine Lider sind schwer wie Blei. Ein dumpfes Pochen dröhnt in meinem Hinterkopf. Meine Lunge fühlt sich an, als hätte jemand einen Sandsack hineingekippt und den Betonmischer eingeschaltet. Ich hole Luft. Meine Rippen ächzen protestierend.
Piep. Piep. Piep. Piep. Piep.
Der Wecker klingelt. Was soll es sonst sein? Ich zwinge ein Auge auf. Es fügt sich widerwillig. Dann das zweite. Dazu muss ich die dicke, verkrustete Schicht, die meine Wimpern verklebt, durchbrechen. Ich versuche, den Kopf zu drehen – wo ist dieser Wecker und wie schaffe ich es, ihn auszuschalten? –, aber ich kann den Hals nicht bewegen. Er ist fest umwickelt, durch eine Art Kissen fixiert, das mich zusammenhält.
Nein. Nein. Wo bin ich? Mein Blick schießt hin und her, mein Atem geht schwerer, und das Piepen wird mit jedem verzweifelten Ringen nach Luft lauter.
In der Ecke steht ein großer Mann mit hängenden Schultern, wie bei einem ehemaligen Footballspieler, neben ihm eine Frau mit tiefen Falten um die Augen, die sich offensichtlich schon vor längerem dort eingegraben haben. Beide wirken ungepflegt, erschöpft. Seine braunen Haare stecken unter einer Baseballkappe, und auf dem Gesicht liegt ein mindestens drei Tage alter Bartschatten. Auf seinem DICK’S DRIVE-THRU-T-Shirt prangen zwei Kaffeeflecken, auf der Jeans ein Ketchupklecks. Sie sieht auch nicht besser aus in ihrem nicht mehr ganz frischen violetten Flatterkleid, das gut als Nachthemd durchgehen könnte. Mit dem unordentlichen Knoten aus grauen Haaren auf dem Kopf erinnert sie mich an einen Champignon.
«Was willst du damit sagen, sie war schwanger?», flüstert der Mann. Ich möchte mich aufsetzen, damit ich besser verstehen kann, mich vorbeugen und mithören, aber entweder bin ich zu schwer verletzt, oder man hat mich festgebunden. Was von beidem, weiß ich noch nicht, jedenfalls kann ich mich nicht bewegen.
«Hast du das nicht gewusst?», fragt sie zurück.
«Nein!» Er lässt sich auf die Armlehne des Stuhls sinken, der neben ihm steht. «Wusste ich nicht.»
Sie streicht ihm über den Rücken und sieht zum Fenster hinaus auf eine Landschaft aus schmutzig beigen Dächern. Es ist ein langer Blick, der ihren stoischen Gleichmut verrät und bei dem man sich fragt, ob sie sich womöglich jeden Moment in Luft auflöst.
Ich will stöhnen, die beiden wissen lassen, dass ich da bin, dass ich sie sehe, doch mein Mund ist zu trocken und meine Zunge zu lange nicht benutzt worden.
«Ich hole Kaffee», sagt der Mann und steht auf.
Schau hier her! Schau mich an! Das Piepen wird hektischer. Piep piep piep piep piep!
Endlich sieht er her.
«O mein Gott! Nell, du bist wach!» Er eilt zu mir und greift nach meiner Hand.
Ich nicke. Zumindest glaube ich, dass ich nicke.
Die Frau ist augenblicklich an meiner Seite, dann dreht sie sich genauso schnell wieder weg und ruft zur geöffneten Tür hinaus: «Sie ist aufgewacht! Rufen Sie Dr. Stark!» Sofort ist sie wieder bei mir, weint, streichelt meine Stirn, drängt sich an mich. «O Gott, danke, lieber Gott, Nell, du bist wach!»
Ehe ich begreifen kann, wer die Frau ist und was das alles zu bedeuten hat, erscheint ein ruhig und dennoch geschäftig wirkender Mann am Fußende des Bettes. Er betrachtet prüfend eine Tabelle, fummelt an den Apparaten herum, beobachtet die Anzeigen, das Piepen. Er schiebt die Brille über den Nasenrücken hoch, fährt sich mit der Rechten glättend über die Haare – sie sind an den Schläfen leicht grau, aber immer noch dicht und wellig. Dann scheucht er mit einer Bewegung, als würde er ein paar Fussel wegwischen wollen, den Mann und die Frau zur Seite und starrt mich an.
«Nell? Ich bin Dr. Stark. Wir freuen uns sehr, Sie zu sehen. Wissen Sie, wo Sie sind?»
Ich schaue auf die zahlreichen besorgten Gesichter hinter ihm. Krankenschwestern, der Mann, die Frau, weitere Fremde fluten das Zimmer. Der Strom ergießt sich bis hinaus auf den Gang.
Ich antworte nicht, deshalb fragt er mich noch einmal.
«Nell. Sie hatten einen Unfall. Ist Ihnen klar, wo Sie sind?» Er wedelt erneut mit der Hand und wendet abrupt den Kopf. «Wer nicht zum Kernteam gehört, verlässt bitte den Raum.»
Niemand bewegt sich. «Sofort!» Langsam zieht sich der Strom der Zuschauer zurück. Übrig bleiben ein paar Schwestern, der Mann, die ältere Frau und Dr. Stark.
«Nell», sagt er und setzt sich vorsichtig aufs Bett. «Nell, Sie sind mit dem Flugzeug
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