Das achte Opfer
Blut sickerte aus seinem Mund und der Stirn. Rick ging auf ihn zu, blickte kalt und zynisch auf den Toten und wandte dannseinen Kopf in Carlas Richtung. Carla stieg, ohne ein Wort zu sagen, aus und begab sich zurück zum Haus. Sie weinte nicht einmal.
Rick holte sein Handy aus der Jackentasche, wählte eine Nummer. Knapp fünf Minuten später erschienen zwei Männer, die den toten Patrick in einen alten Teppich wickelten, in den Kofferraum ihres Mercedes luden und davonfuhren. Sie fuhren etwa eine Stunde über Land und brachten ihn zurück nach Friedberg, wo sie ihn unter einer Brücke am Stadtrand wie ein Stück Müll ablegten.
Carla lebte noch ein halbes Jahr, sie spritzte Heroin, trank flaschenweise Wodka, und an einem kühlen Mittwoch im Mai setzte sie sich eine Spritze, trank eine halbe Flasche Wodka und fiel in einen tiefen Schlaf, aus dem sie nicht mehr aufwachte. Ein paar Männer fuhren ihre Leiche in der folgenden Nacht in ein tagsüber stark frequentiertes Waldgebiet bei Frankfurt. Carla war gerade fünfzehn geworden.
Fünf Jahre Später
Montag, 6.30 Uhr
Julia Durant, Hauptkommissarin bei der Kripo Frankfurt, wachte um halb sieben auf. Die Sonne fiel in hellen Strahlen durch das geöffnete Fenster. Durant fühlte sich elend, ihr war übel, sie hatte Kopfschmerzen, das grelle Licht blendete sie. Sie hatte wieder einmal die Vorhänge nicht zugezogen, reine, kühle Morgenluft wehte herein. Sie setzte sich auf, die Übelkeit nahm zu, ihr war etwas schwindlig. Sie schloß kurz die Augen, dachte an den vergangenen Abend, die Geburtstagsfeier bei einer Kollegin vom Betrugsdezernat, schalt sich eine Närrin, wieder einmal zuviel durcheinander getrunken zu haben. Sie stand auf, ging mit schweren Schritten zum Bad, entleerte ihre Blase, wusch sich kurz die Hände und übers Gesicht, sah im Spiegel die tiefen Ränder unter den Augen, das typische Zeichen dafür, daß sie in den letzten Wochen viel zuwenig geschlafen hatte. Sie holte ein paarmal tief Luft, um damit gegen die Übelkeit anzukämpfen, und ging, nur bekleidet mit einem Slip und Trägerhemd, in die Küche. Sie öffnete den Kühlschrank, holte die unangebrochene Tüte Milch heraus, stellte sie auf den Tisch, nahm die Cornflakes vom Regal und eine kleine Schüssel aus dem Hängeschrank. Sie setzte sich, gab Cornflakes und Milch in die Schüssel und streute ein paar Löffel Zucker darüber. Sie aß langsam, allmählich beruhigte sich ihr Magen. Nach dem Essen brühte sie sich eine Tasse Kaffee auf. Sie zündete sich eine Gauloise an, inhalierte tief und trank einen Schluck vom heißen Kaffee.
Um kurz nach sieben ging sie zurück ins Bad, putzte sich die Zähne, legte etwas Make-up auf, das die Ringe unter ihren Augen kaschieren sollte, zog die Lippen nach und bürstete sich das dunkle, halblange Haar. Sie betrachtete sich noch einmal im Spiegel, fand, daß sie sich gegenüber der letzten halben Stunde äußerlich kaum verändert hatte, nahm sich zum wer weiß wievielten Male vor, mehr zu schlafen und vor allem weniger zu rauchen und zu trinken. Im Schlafzimmer zog sie frische Unterwäsche an, Jeans und eine weitgeschnittene, beige Bluse sowie die weißen Tennisschuhe, warf einen letzten Blick in die Küche und das Wohnzimmer, hängte ihre Handtasche über die Schulter und verließ die Wohnung. Sie schloß hinter sich ab und ging die Treppen hinunter. Ihre Zeitung war trotz mehrmaliger Reklamation wieder nicht im Briefkasten. Sie fluchte leise vor sich hin und ging zum Auto. Obwohl die Sonne von einem wolkenlosen Himmel schien, ein frischer Wind vom Taunus herüberwehte und die drückende Großstadtluft mit sich forttrug, wäre Julia Durant heute lieber zu Hause geblieben und hätte sich die Bettdecke über den Kopf gezogen, um einfach nur zu schlafen.
Sie quälte sich durch den morgendlichen Berufsverkehr und dachte über die vergangenen Wochen und Monate nach, die, was ihre Arbeit bei der Mordkommission anging, eher eintönig verlaufen waren. Im letzten halben Jahr hatten sie gerade einmal sechs Tötungsdelikte zu bearbeiten gehabt, wovon vier bereits nach wenigen Tagen aufgeklärt waren, lediglich die andern beiden waren harte Nüsse, da die Opfer nicht identifiziert werden konnten. Weder anhand von Finger- oder Gebißabdrücken, noch hatte einer der Toten einen Ausweis bei sich getragen. Laut Bericht der Gerichtsmedizin waren die Opfer beide zwischen Mitte Zwanzig und Mitte Dreißig und aller Wahrscheinlichkeit nach keineDeutschen, eher
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