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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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nur müde. Der nächste Kunde kam um sieben, er wollte nicht viel, er wollte nur dasitzen, das nackte Mädchen betrachten und sich dabei selbst befriedigen. Allein dafür war er bereit, eine Menge Geld zu bezahlen.
    Für zweiundzwanzig Uhr war der letzte Freier des Tages angekündigt. Auch er kam pünktlich. Wie alle hatte auch er zu klingeln, wie alle Neuen wurde auch er eingehend gemustert, bevor er eingelassen wurde. Es war ein junger Mann, ein sehr junger Mann, mit kurzgeschnittenen, braunen Haaren, groß, muskulös, in Jeans, einem weißen T-Shirt, Sakko und Tennisschuhen. Carla sah erst auf, als er bereits im Zimmer stand. Sie kniff die Augen zusammen, ungläubig staunend betrachtete sie den vor ihr Stehenden. Waren es ein oder zwei Jahre, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte? Es war auf jeden Fall eine verflucht lange Zeit. Eine Zeit, in der sie aufgehört hatte, ein kleines Mädchen zu sein, und doch keine Frau wurde. In der sie gelernt hatte, sich die Spritze zu setzen und zu saufen. In der sie drei bis vier Schachteln Zigaretten am Tag rauchte und nicht mehr wußte, was in der Welt vor sich ging. In der ihr das Leben zunehmendgleichgültiger wurde. Und jetzt auf einmal stand er da, Patrick, der große, gute Patrick. Sie erhob sich wie in Zeitlupe von ihrem Sessel, ging auf ihn zu, legte wortlos die Arme um seinen Hals und drückte sich ganz fest an ihn.
    »Patrick! Mein Gott, Patrick! Wo kommst du her? Und wie hast du mich gefunden?«
    »Ich habe nie aufgehört, dich zu suchen, mein kleines Schwesterchen. Nie. Und jetzt endlich habe ich dich gefunden, und ich werde dich mit nach Hause nehmen. Mama und Papa glauben nämlich, daß du schon nicht mehr lebst. Was ist bloß passiert?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich weiß es wirklich nicht.« Unvermittelt fing sie an zu weinen und legte ihren Kopf an seine Schulter.
    »Ich hol dich jetzt hier raus. Kapiert?« sagte er ernst.
    »Wie willst du das machen?« fragte sie mutlos. »Die passen hier auf. Ich darf ja nicht mal allein auf die Straße, immer nur in Begleitung. Ich hab nämlich schon mal versucht abzuhauen, aber sie haben mich wieder eingefangen und jetzt …«
    »Du wirst dich jetzt anziehen und einfach mit mir aus diesem Haus gehen.«
    »Sie werden dich umbringen«, flüsterte sie.
    »Ich habe eine Pistole dabei. Wir wollen doch mal sehen, wer schneller ist. So kurz vor dem Ziel lasse ich mich jetzt nicht mehr aufhalten. Du gehörst nicht in diesen verdammten Puff, du gehörst nach Hause, zu unserem Vater und unserer Mutter. Sie werden sich wahnsinnig freuen, dich zu sehen. Und dann fängt das Leben neu an. Und ich werde dir dabei helfen. Du hast mir so wahnsinnig gefehlt. Du warst und wirst es immer bleiben – meine kleine Schwester. Und keiner wird meiner kleinen Schwester mehr weh tun. Ich schwöre es dir bei meinem Leben.«
    Carla zog sich die Jeans und ein T-Shirt über, schlüpfte in ihre Turnschuhe. Sie öffnete die Tür einen Spalt, lugte hinaus in den nur schwach erleuchteten Gang, auf dem sich kein Mensch aufhielt. Patrick holte die Pistole aus der Innentasche seines Sakkos und steckte sie in die rechte Seitentasche. Vorsichtig und geräuschlos schritten sie über den Teppich, gelangten an die Eingangstür. Patrick blickte um sich, sie waren allein. Er drückte die Klinke, die Tür ging leise auf. Carla huschte nach draußen, Patrick folgte ihr, ließ die Tür sanft ins Schloß fallen. Sie liefen über den dunklen Hinterhof zum unverschlossenen Auto. Carla öffnete die Beifahrertür, Patrick ging um den Wagen herum, wollte gerade einsteigen, als eine Stimme von hinten ihn zurückhielt.
    »Na, Junge, wohin so eilig? Und was willst du mit meinem Mädchen?«
    Ohne sich umzudrehen, erwiderte Patrick: »Dein Mädchen? Daß ich nicht lache! Carla ist meine Schwester, und unsere Eltern haben sie schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Und genau deswegen werde ich jetzt mit ihr nach Hause fahren.«
    »Du wirst nirgendwohin fahren, Kleiner. Sie gehört schon lange nicht mehr deinen Eltern, sie gehört nicht einmal sich selber. Sie gehört nur mir und der Organisation. Es ist vorbei, Kleiner.«
    Patrick umfaßte den Pistolenknauf, drehte sich um. Er sah den anderen nur schemenhaft, zog schnell die Waffe aus der Tasche, doch bevor er abdrücken konnte, blitzte zweimal das Mündungsfeuer des anderen auf; zwei fast lautlos abgefeuerte Kugeln trafen ihn in Brust und Kopf. Patrick fiel nach hinten, den Blick starr nach oben gerichtet.

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