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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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deren
Besonderheiten erklären. Mit Begeisterung erzählte ihnen ihr Klassenlehrer von
architektonischen Sensationen und vielen versteckten Details des Gotteshauses.
Nur wenige Schüler interessierte der Vortrag über die Bamberger Vorzeit
wirklich, die meisten freuten sich schon auf das alljährliche Eis am »Gablmo«,
dem traditionellen Treffpunkt am Neptunbrunnen, zum Abschluss des Tages.
    Er schaute sich um. Clemens
hatte ihn vorhin gebeten, kurz auf Peter aufzupassen, und war dann
verschwunden. Dieser Tag hatte für das persönliche Verhältnis der beiden mehr
gebracht als vier Jahre Ottonianum. Erst jetzt hatte er begriffen, was Clemens
Martin wirklich für ein Mensch war. Er war nicht der versnobte Streber, für den
er ihn immer gehalten hatte. Nein, er hatte in nur wenigen Stunden einen
äußerst mitfühlenden Clemens erlebt, der sich wegen eines schwächeren Kameraden
mit der Obrigkeit des Ottonianums angelegt hatte, und das imponierte Max
Schillers rebellischer Natur gewaltig. Impulsiv und spontan, wie er war, fühlte
er sich nun beiden gegenüber verpflichtet und wollte sie unterstützen, wo es
nur ging. Aber so richtig ließen sie ihn nicht an sich ran. Mozart hatte das
Gefühl, als wollten sie die anderen nicht in ihre schreckliche Welt mit
hineinlassen.
    Sein Blick flog suchend
durch die Kirche. Wo war Clemens nur hin? Bald war der Klassenlehrer mit seinem
Vortrag zu Ende, und alle mussten wieder zum Bus. Viel Zeit hatte er nicht
mehr.
    Während im Hintergrund eine
männliche Stimme Dinge erklärte, die ihm schon längst bekannt waren, machte er
sich daran, das Buch in das speckige Papier einzuwickeln, sodass von dem hellen
Ledereinband nichts mehr zu sehen war.
    Hastig knotete er das kleine
Paket kreuzförmig mit einer Schnur zusammen, die er in weiser Vorahnung
mitgenommen hatte.
    Er blickte sich vorsichtig
um.
    Die anderen waren schon ein
ganzes Stück vorausgegangen und konnten ihn nicht mehr sehen. Ihm blutete das
Herz bei dem Gedanken, sein Buch aus der Hand zu geben, aber es musste sein.
Schließlich war es seine Lebensversicherung. Dann begann er zu klettern …
    *
    Nikolai parkte seinen Wagen vor seinem Versteck im ehemaligen
Katharinenspital. Als die schwere Tür hinter ihm zufiel, ging er zuerst ins
Bad, um sich zu verarzten. Nachdem er sich das Gesicht mit kaltem Wasser
gewaschen hatte, betrachtete er skeptisch die klaffende Wunde unter seiner
linken Augenbraue. Dieser verfluchte Teppichhändler hatte ihn doch tatsächlich
im falschen Moment erwischt. Immerhin war der jetzt Geschichte, und das
geronnene Blut, das noch an Nikolai klebte, war das Letzte, was diese Welt von
ihm vererbt bekommen hatte. Er ging zu seiner Tasche, die auf dem Bett stand,
und entnahm dem Bodenfach ein kleines metallenes Kästchen, in dem sich Nadel,
Faden und eine kleine Tube mit Desinfektionsmittel befanden. Wieder im Bad,
begann er den medizinischen, rosafarbenen Faden durch das Öhr zu fädeln. Vier
Stiche müssten reichen. Er griff nach der Flasche mit dem teuren Wodka, die er
vorsichtshalber auf den Toilettendeckel gestellt hatte, und nahm einen langen
Zug. Das würde jetzt unangenehm werden. Er lächelte grimmig dem Gesicht im
Spiegel zu. Sein Lächeln wurde zum lauten Lachen, und er nahm einen weiteren
Schluck. Dann setzte er die Nadel an den oberen, äußeren Wundrand und drückte
sie durch das Fleisch.
    *
    Ihr Lehrer hatte seine Erklärungen beendet und rief seine Schüler,
sich zu sammeln. Mozart blickte sich hektisch um. Hinter einer der großen
Säulen, die das Gewölbe des Gotteshauses stützten, sah er Clemens endlich
hervorkommen und sich durch die hölzernen Kirchenbänke schleichen. Verschwitzt
und außer Atem stieß er gerade noch rechtzeitig zum Rest der Klasse hinzu.
Mozart schaute ihn kopfschüttelnd an.
    »Sag mal, was hast du eigentlich gemacht?«, fragte er ihn. »Immer
wenn wir in alten Kirchen Predigten über Architekturhistorie anhören müssen,
machst du dich vom Acker. Tust du heimlich beten, oder was?« Das erste Mal an
diesem Tag huschte so etwas wie ein Lächeln über Clemens’ Gesicht.
    »Nein«, antwortete er leise. »Ich habe nur Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Vielleicht erklär ich’s dir später.« Mit dieser mysteriösen Andeutung wandte er
sich wieder seinem Schützling zu, der es ziemlich eilig hatte, aus der Kirche
zu verschwinden.
    Im Bus sprachen sie nicht mehr miteinander, doch selbst Peter schien
sich jetzt auf das Ende des Ausflugs und das obligatorische Eis zu

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