Das Alabastergrab
sondern
auf sich selbst. Ihm war ein riesiger Anfängerfehler unterlaufen. Wie konnte er
nur so unprofessionell sein? Sein Kopf blutete aus einer Platzwunde. Die
dunkelrote Flüssigkeit floss ihm ins linke Auge und irritierte ihn. Dabei war
alles wunderbar nach Plan gelaufen, und er hatte die Villa am Kehlgraben sofort
gefunden. Alfred Schneidereit wohnte als Geschäftsführer einer großen
Teppichhandlung im teuersten Wohngebiet Kronachs, am Kreuzberg nahe der oberen
Stadt. Nachdem er ihn in seiner Villa nicht angetroffen hatte, war Nikolai
durch die Altstadt an der Feste Rosenberg vorbeigefahren, die vor vielen Jahren
einmal Charles de Gaulle im Krieg beherbergt hatte. Dann hatte er seinen Wagen
durch den unteren Teil der Dreiflüssestadt Kronach gesteuert und direkt vor der
Firma Loewe, dem großen Hersteller von Elektronikgeräten, geparkt. Gegenüber
hatte Schneidereits Teppichfirma ihren Sitz, und in seinem Büro war noch Licht
gewesen. Gerade noch rechtzeitig hatte Nikolai ihn belauschen können, wie er
die wichtigen Informationen auch noch freiwillig ausplauderte. Mein Gott, er
hätte ihn einfach nur abknallen müssen. Stattdessen hatte er sich zu einer
Überheblichkeit hinreißen lassen, die sofort bestraft worden war. Das hatte er
nun davon. Aber noch war es nicht zu spät, seinen Fehler auszubügeln.
Kurz hinter der Brücke hatte er den Astra eingeholt. Noch einmal
würde er seinen Auftrag nicht versauen. Links von ihm verlief die Bahnstrecke
nach Neuses, dahinter lag eine große Kunststofffirma. Die Straße führte hier
auf freier Strecke einen Abhang hinunter. Ideal, um kurzen Prozess zu machen.
Nikolai ließ das Fenster auf der Fahrerseite herunter, dann steuerte er nur
noch mit der rechten Hand, während er mit der anderen die Waffe hielt und auf
den linken Hinterreifen des Astras zielte. Der zweite Schuss saß. Der Reifen
fuhr sich sofort pfeifend platt, und das Auto schlingerte wild hin und her. Er
passte den richtigen Moment ab und gab dem Heck des Opels mit dem BMW einen leichten Stoß. Es war zwar
eigentlich nur ein kleiner Schubser, aber er reichte aus, um den Wagen quer zur
Fahrbahn zu drehen. Mit hundertzwanzig Stundenkilometern schoss er sich
überschlagend den Abhang Richtung Bahngleise hinunter, wo er wie eine
zerdrückte Konservendose auf dem Dach liegend zum Stehen kam. Auch Nikolai
hielt seinen BMW mit einer
Vollbremsung an. Er schaltete die Warnblinkanlage ein, stieg aus und rutschte
auf seinem Hosenboden den Abhang hinunter. Alfred Schneidereit hing verkehrt
herum in seinem Gurt und stöhnte hilflos auf, als er ihn wahrnahm.
Ohne zu zögern, schoss ihn Nikolai in den Kopf und in die Brust.
Dieses Mal wollte er auf Nummer sicher gehen. Dann machte er sich auf den Weg
zurück zu seinem Auto. Er musste schnell hier verschwinden, bevor die ersten
Gaffer oder gar Beamte der Polizei eintrafen.
*
Haderlein legte den Telefonhörer weg und musste sich erst mal
setzen. »Was war das denn?« Keiner seiner Kollegen antwortete. Alle waren
schockiert. Dann drückte er eine Taste auf dem Telefon und hörte sich das ganze
Gespräch noch einmal an.
»Die Toten bilden einen
Kreis. Zählen Sie Ihre Leichen, Herr Kommissar. Sie werden sehen, ihre Zahl ist
zu klein.«
Im Raum hätte man eine
Stecknadel fallen hören, als Haderlein das Aufnahmegerät abschaltete.
Schweigend ging er zum Flipchart an der Wand und schrieb in Großbuchstaben » MAX SCHILLER « aufs Papier. Dann setzte
er sich wieder auf seinen Stuhl.
»Meine Damen und Herren,
kurz vor diesem Anruf habe ich die Mitteilung von unser aller Liebling, Herrn
Gerichtsmediziner Siebenstädter, erhalten, dass in Erlangen zwei weitere
Personen aus Hof liegen, die seiner Meinung nach vom selben Täter umgebracht
wurden. Das heißt, wir haben jetzt innerhalb von vier Tagen sieben Tote. Fünf
männliche und zwei weibliche Opfer aus ganz Nordbayern, die irgendwie in diesem
Fall mit drinhängen. Und wenn es für unseren Anrufer dumm gelaufen ist, kommt
er als achtes Opfer noch dazu. Hat irgendjemand von Ihnen eine Idee, was er uns
mit der Botschaft mitteilen wollte?«
Cesar Huppendorfer meldete
sich vorsichtig. »Also, meine Mutter stammt ja aus Brasilien, und als ich vor
zwei Jahren mit ihr zu Hause war, hatten wir ein Problem.«
Haderlein runzelte die
Stirn. Worauf wollte denn sein dunkelhäutiger Exot jetzt schon wieder hinaus?
»Ihre Schwester war
gestorben«, fuhr Huppendorfer fort, »und in einem ihrer Schuhkartons haben wir
die Namen von
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