Das Auge der Ueberwelt
Halbkugeln zufriedengeben.«
Aber davon wollte Bubach Angh nichts wissen. »Wenn dir dein Leben lieb ist, gib mir sofort die zweite Halbkugel.«
»Das ist unmöglich«, sagte Cugel.
Bubach Angh wandte sich ab und sprach mit dem bartlosen Bauern, der bald darauf ging. Bubach Angh warf Cugel finstere Blicke zu, dann setzte er sich neben Radkuth Vomins Hütteneingang auf einen Kehrrichthaufen. Hier experimentierte er mit seiner neuen Augenschale, schloß vorsichtig das rechte Auge und öffnete das linke, um in staunender Verwunderung die Überwelt zu betrachten. Cugel versuchte die Gelegenheit zu nutzen und schlenderte zum Rand des Dorfes. Bubach Angh schien es nicht zu sehen. Hah! dachte Cugel. So einfach war es also! Noch ein paar Schritte, und er würde sich im Schutz der Dunkelheit davonmachen.
Er beeilte sich, diese Schritte zu tun, doch ein Geräusch ließ ihn zur Seite springen. Eine schwere Hacke sauste nieder, wo sein Kopf gewesen war. Im schwachen Lampenschimmer, der durch Fenster und Wandritzen der benachbarten Hütten drang, erblickte Cugel das Gesicht des bartlosen Bauern. Hinter ihm kam Bubach Angh gelaufen. Cugel wich ihm leichtfüßig aus und rannte ins Dorf zurück.
Bald erschien auch Bubach Angh und setzte sich wieder vor die Hütte. Er war sichtlich enttäuscht. »Du wirst nie entkommen«, sagte er zu Cugel. »Gib die Halbkugel her und rette dein Leben!«
»Keinesfalls«, erwiderte Cugel. »Fürchte lieber für deinen eigenen aufgeschwemmten Wanst, der in noch größerer Gefahr ist!«
Aus der Hütte des Dorfältesten kam ein mahnender Zuruf: »Laßt das Gezänk! Ich widme mich den exotischen Launen einer schönen Prinzessin und darf nicht abgelenkt werden.«
Cugel dachte an die unförmigen Leiber, die teigigen Gesichter, das verfilzte Haar, die Warzen und ranzigen Gerüche, die die Frauen von Smolod kennzeichneten, und staunte von neuem über die Macht der magischen Halbkugeln. Bubach Angh probierte wieder sein linkes Auge aus. Cugel ließ sich auf eine Bank nieder und tat es seinem Rivalen nach. Zuerst hielt er die Hand vor sein linkes Auge, dann öffnete er das rechte ...
Er trug einen Brustharnisch aus getriebenem Silber, enge scharlachrote Hosen und einen dunkelblauen Umhang. Er saß auf einer marmornen Bank vor einer Reihe weißer Marmorsäulen, die mit dunklem Laubwerk und weißen Blüten überwachsen waren. Zu beiden Seiten ragten die Paläste von Smolod in die Nacht. Der Himmel war von einem weichen Dunkelblau, besetzt mit strahlenden Sternen; zwischen den Palästen waren Gärten voller Zypressen, Jasmin, Geißblatt und Goldregen; die Luft war erfüllt vom Duft der Blumen und dem Murmeln fließenden Wassers. Von irgendwo wehten die Klänge leiser Musik herüber: leise Akkorde, eine Melodie von süßer Schwermut. Cugel holte tief Atem und erhob sich. Er schritt langsam über die Terrasse. Die Perspektive der Paläste und Gärten änderte sich, und er blickte auf einen dunklen Rasen hinab, wo drei Mädchen in weißen Seidengewändern standen. Als er an die Balustrade trat, wandten sie sich um und blickten ihn an.
Cugel wollte schon zur Freitreppe, die in den Park hinunterführte, als ihm Bubach Anghs böse Absichten einfielen. Er hielt inne und blickte umher. Auf der anderen Seite des Platzes erhob sich ein siebenstöckiger Palast. Durch die hohen Fenster waren kostbare Möbel, strahlende Kronleuchter und die gemessenen Bewegungen livrierter Diener zu sehen. Bei einem Pavillon vor dem Palast stand ein hakennasiger Mann mit kurzem blondem Bart und einem ockergelben Umhang über schwarzen Kniehosen und blickte mit einem Ausdruck düsterer Abneigung zu Cugel herüber. Konnte dies der schweinsköpfige Bubach Angh sein? Konnte der Palast die schmutzige Hütte von Radkuth Vomin sein?
Cugel ging langsam über den Platz und gelangte zu einem festlich beleuchteten Pavillon. Auf mehreren Tischen waren Fleischspeisen, Pasteten und Beilagen jeder Art bereitgestellt. Cugel ging von Tisch zu Tisch und kostete von jedem Gericht. Alle Speisen waren von der besten Qualität.
»Vielleicht esse ich noch immer nichts als Räucherfisch und Linsen«, sagte er sich, »aber es läßt sich vieles zugunsten eines Zaubers sagen, der ein solches Gericht in eine Vielzahl exquisiter Delikatessen verwandelt. In der Tat, man wäre nicht schlecht beraten, wenn man den Rest seines Lebens hier in Smolod verbrächte.«
Firx antwortete mit jäh einsetzenden Leberschmerzen, und Cugel verwünschte Iucounu.
Er kehrte auf
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