Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge der Ueberwelt

Das Auge der Ueberwelt

Titel: Das Auge der Ueberwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
den Platz zurück, wo er sich Bubach Angh gegenübersah, der vor Radkuth Vomins Palast stand und ihn drohend anstarrte. Wo sollte er die Nacht verbringen? Der Palast bot offensichtlich geräumige Unterkunft sowohl für ihn selbst als auch für Bubach Angh. In Wirklichkeit würden sie allerdings in einer engen Hütte zusammengepfercht sein. Bedauernd schloß Cugel das rechte Auge und öffnete das linke.
    Smolod war wie zuvor. Bubach Anghs verwahrloste Gestalt hockte neben der Tür von Radkuth Vomins Hütte. Cugel ging hinüber und versetzte dem anderen einen Fußtritt. Bubach Angh sperrte erschrocken beide Augen auf, und die gegensätzlichen Sinneswahrnehmungen zweier Realitäten stießen in seinem Bewußtsein zusammen und erzeugten eine vorübergehende Lähmung. Zwei Hütten weiter brüllte der bartlose Bauer zornig auf und kam mit geschwungener Hacke gerannt, und Cugel gab sein Vorhaben auf, Bubach Angh die Kehle durchzuschneiden. Er schlüpfte in die Hütte, schloß die Tür und schob den Riegel vor.
    Nun schloß er das linke Auge und öffnete das rechte. Er stand in der prächtigen Eingangshalle von Radkuth Vomins Palast, der nun durch ein kunstvolles schmiedeeisernes Gittertor gegen den Platz abgeschlossen war. Draußen erhob sich der goldhaarige Prinz in Ocker und Schwarz, ein Auge mit der Hand zugedeckt, in kalter Würde vom Pflaster. Nachdem er die Faust geschüttelt hatte, schritt er davon.
    Cugel wählte ein luxuriöses Schlafgemach, dessen Fenster nach Süden lagen, vertauschte seine reiche Kleidung mit einem seidenen Nachthemd, ließ sich in ein Himmelbett mit Laken und Decken aus blaßblauer Seide sinken und schlief sofort ein.
    Am Morgen war es schwierig, sich zu erinnern, welches Auge er öffnen mußte, und er nahm sich vor, eine Augenbinde anzufertigen, um sie über dem jeweils nicht benötigten Auge zu tragen.
    Am Tag waren die Paläste von Smolod womöglich noch großartiger und prächtiger als bei Nacht, und auf dem Platz drängten sich Prinzen und Prinzessinnen, alle von äußerster Eleganz und Schönheit. Cugel kleidete sich an und ging in die Eingangshalle hinunter. Mit einer gebieterischen Geste stieß er das schmiedeeiserne Tor auf und ging hinaus auf den Platz.
    Von Bubach Angh war nichts zu sehen. Die anderen Bewohner von Smolod begrüßten ihn höflich, und die Prinzessinnen stellten unverkennbares Interesse zur Schau. Cugel erwiderte ihre Blicke höflich, aber ohne Inbrunst: nicht einmal die magische Halbkugel konnte ihn die sauertöpfischen Klumpen aus Fett, Schmutz und Haar vergessen machen, die die Frauen von Smolod waren.
    Er frühstückte köstliche Blätterteigpasteten im Pavillon, dann kehrte er zum Platz zurück, um sein weiteres Vorgehen zu planen. Eine beiläufige Inspektion der umliegenden Parks zeigte ihm wachsame Krieger aus Grodz. An ein Entkommen war gegenwärtig nicht zu denken.
    Die adeligen Herrschaften gingen ihren Zerstreuungen nach. Einige durchwanderten die Parks oder saßen im Schatten bei den Wasserspielen; andere glitten mit Booten zwischen den reizvoll bewachsenen Ufern der Wasserstraßen dahin oder vergnügten sich mit Gesellschaftsspielen. Der Älteste saß allein auf einer Onyxbank, tief in Gedanken versunken.
    Cugel trat zu ihm, und der andere blickte auf und grüßte ihn mit gemessener Herzlichkeit. »Ungute Gedanken bedrücken mich«, sagte er. »Trotz aller Einsicht und bei allem Verständnis für Eure unvermeidbare Unwissenheit unserer Bräuche kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, daß eine Ungerechtigkeit geschehen ist.«
    »Mir scheint«, sagte Cugel, »daß der Junker Bubach Angh, obgleich ein verdienstvoller Mann, einen Mangel an Disziplin zeigt, der der Würde von Smolod nicht angemessen ist. Meiner Ansicht nach würden ihm einige Jahre des weiteren Reifens in Grodz nur guttun.«
    »Der Gedanke hat etwas für sich«, erwiderte der Alte. »Kleine persönliche Opfer sind manchmal zum größeren Wohl des Ganzen notwendig. Sicherlich würdet Ihr, wenn es dazu käme, mit Freuden Eure magische Halbkugel abgeben und in Grodz der Arbeit eines Fischers und Landmanns nachgehen. Was sind ein paar Jahre? Sie flattern vorbei wie Schmetterlinge.«
    Cugel machte eine verbindliche Geste. »Oder es ließe sich eine Art Ausscheidungsspiel arrangieren, an dem alle teilnehmen, die mit zwei Halbkugeln sehen. Der Verlierer übergibt eine seiner Halbkugeln Bubach Angh. Ich selbst werde mich mit der einen behelfen, die ich habe.«
    Der Älteste runzelte die Brauen.

Weitere Kostenlose Bücher