Das Biest in ihm (German Edition)
„I m Keller liegt was rum.“ Pauls überzarte Finger trommelten an den Türrahmen. Das G e räusch seiner auf Hochglanz gepflegten Nägel auf dem Holz ließ Vincent die Haare zu Berge stehen. „Es blutet noch!“
„Ich trinke meine Beute nicht aus, ich fresse sie.“
Paul kniff in stummer Qual die Augen zusammen. „Keine Details, bitte. Es ist noch früh am Tag.“
Gestern Nacht hatte Vincent nach einem längst überfälligen Nachtmahl ve r säumt, die Reste zu beseitigen. Der Rausch der Jagd hielt ihn länger als sonst in den Klauen und zu schnöden Aufräumaktionen fühlte er sich außerstande. Es war eine gute Nacht gewesen. Die Erinnerung an den sterbenden Her z schlag seiner Beute jagte ihm jetzt noch Schauder der Err e gung über den Rücken. Leidenschaft! Jagen war zurzeit seine einzige. Er schloss die Augen und spürte den Wünschen des Wesens nach, das tief in ihm verborgen schlummerte.
„Vincent! Ich rede mit dir!“
„Kannst du nicht einfach nass drüberwischen?“ Es sollte Paul nicht schwerfallen. I m merhin putzte er sonst auch hier den Dreck weg.
„Mit Drüberwischen ist es nicht getan. Es kleben Bröckchen an der Wand!“ Lautstark zog er die Luft ein und Vincent spürte seinen vorwurfsvollen Blick im N a cken.
„Entschuldige. Kommt nicht wieder vor.“ Er vertiefte sich in seine Arbeit. Vielleicht gab Paul auf, wenn er ihn gründlich genug ignorierte. Aber Paul ging nicht. Er erwartete ein reumütiges Zukreuzekriechen und einen sanften Augenau f schlag, der ihm Dinge ver sprach, die Vincent nie halten würde.
„Ich will dich nicht bevormunden, aber unsere Absprache la u tet , dass du keine Reste übrig lässt oder sie wenigstens selbst verscharrst.“
Paul würde nicht von ihm ablassen, bis er ihm Rede und Antwort stand. Schuldbe wusst sah er sich nach ihm um. Er schaffte so etwas auf Kommando. Sofort wurde Pauls Blick milder. Paul liebte ihn und selbst die Tatsache, dass Vincent unter widrigen Umständen zu etwas wurde, das nichts mehr mit dem Mann zu tun hatte , den Paul mei s tens zu sehen bekam, hielt ihn nicht ab. Diesen Umstand nutzte Vincent seit Jahren eiskalt aus. Doch diesmal hatte Paul recht. Kadaver in Berliner Stadtvillen der Verwesung anheimz u geben, war ekelhaft. „Ich räume es weg, sobald ich hier fertig bin.“ Bewusst entschied er sich für das rauchigste Timbre, zu dem seine Stimme fähig war. „Mach dir bitte keine Mühe, ich weiß, wie sehr dich körperliche Arbeit anstrengt.“ Ein Hauch Qual, ein Quäntchen Seh n sucht und eine Prise Langeweile.
Schon wurde Pauls Blick weich wie Butter. Er schenkte ihm seinen „Ach-das-macht-doch-nichts-Blick“ und schlenderte glücklich zu ihm. „Hab ich dir schon gesagt, dass Knut heute Abend vorbeisehen will?“
Automatisch begann Paul, das Chaos auf der Tischplatte aufzuräumen. Seine Hände huschten zwischen Kugelschreibern, Bleistiften und der Post von vorgestern hin und her. Vincent hielt ihn auf, als er den antiken Brieföffner in die angeschlagene Kaffeetasse st e cken wollte, in der er die Kohlestifte für seine Skizzen aufbewahrte. Paul zuckte zusa m men. Sein Blick flackerte verunsichert. Es gab keinen Grund für Angst. Nachdem er Vincent vor drei Jahren in seiner anderen Erscheinung und in vollem Einsatz erlebt ha t te , vereinbarten sie einen Termin bei dem teuersten Notar der Stadt, der aufzutreiben gew e sen war. Sicher dachte der gute Mann an einen Scherz, als sie ihm erklärten, was sie von ihm wollten. Nach einem unnötigen Notarzteinsatz und einem Beinahe-Ausrücken einer kompletten Polizeistaffel setzte er für sie den skurrilsten Vertrag auf, den die Welt je ges e hen hatte , beziehungsweise niemals sehen würde. Er lag ver schlossen in einem noch te u reren Schließfach eines ebenso skurrilen Instituts. Dort sollte er auch bleiben.
Jedenfalls erklärte sich Paul danach bereit, weiterhin für Vincent und seine B e lange zur Verfügung zu stehen. Er brauchte ihn und das wusste Paul auch.
„Ist Knut nicht deine neue Flamme?“
Über Pauls schmales Gesicht huschte ein glückliches Lächeln. „Er ist reizend. Ich war noch nie so glüc k lich.“
„Soll ich mich heute Abend zurückziehen?“ Paul teilte nicht gern, auch keine Au f merksamkeit. Und Vincent hasste es, die Wohnung mit Fremden zu te i len. Paul hatte den drohenden Unterton gehört. Vorsichtig zog er seine Hand aus Vincents Griff. Er hatte ganz vergessen, dass er sie immer noch festhielt.
„Wenn es okay für dich ist?“
Sein
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