Das Blut der Rhu'u
sind, ist meine Aufgabe endlich vollbracht, und ich darf gehen. Nach all den Jahrhunderten habe ich mir das redlich verdient.« Er lachte über ihre verständnislosen Gesichter. Im nächsten Moment zerfloss seine Gestalt, wuchs in die Höhe und wandelte sich zu einer über sieben Fuß großen menschenähnlichen Gestalt mit mächtigen Muskeln und einem wolfsähnlichen Kopf.
Camiyu schüttelte lachend den Kopf. »Ein Wächterdämon! Jetzt verstehe ich die Andeutungen in der Chronik, dass der Schamane den von der Gemeinschaft Gesandten half, ›den Kristallen einen Schrein zu bauen, den ein unbestechlicher Wächter hütet bis in alle Ewigkeit‹ . Ich dachte, mit dem ›unbestechlichen Wächter‹ wäre der jeweilige Abt des Klosters gemeint.«
»Was gar nicht so falsch ist«, bestätigte der Wächterdämon und nahm wieder die Gestalt des alten Meisters San an. »Die Bön-Religion ist als Vorläufer des Buddhismus eine schamanische Religion. Bön bedeutet ›Beschwörung‹. Und davon verstanden ihre Schamanen eine Menge. Jener, der mich beschwor und mich an diese Aufgabe band, erkannte etwas, das die Gemeinschaft des Lichts nie begriffen hat: dass erstens nicht alle Dämonen böse sind und zweitens ein Tag kommen würde, an dem der Arrod’Sha durch die richtigen Hände zusammengefügt werden muss , um das Gleichgewicht wiederherzustellen, das durch seine Spaltung damals zerstört wurde. Deshalb habe ich die beiden Kristallteile vor jedem unrechtmäßigen Zugriff geschützt, bis dieser Tag gekommen wäre. Bis die Erben des Arrod’Sha so weit sind, dass sie seine Macht nicht zu Eroberungen, Unterdrückung und Krieg nutzen wollen. Meine Aufgabe ist erfüllt.«
Cal verneigte sich tief vor ihm, und die anderen taten es ihm nach. »Wir danken dir sehr, Wächter, dass du die Kristalle so treu beschützt hast. Wenn wir mal was für dich tun können, lass es uns wissen.«
Meister San lächelte. »Ich komme darauf zurück.«
Er schickte sie in ihre Unterkunft, damit sie ihre Sachen packen konnten, und begleitete sie anschließend bis zum Tor, wo er ihnen zuwinkte, bevor sie auf dieselbe Weise verschwanden, wie sie gekommen waren. Anschließend bereitete er seinen eigenen Abgang vor, getarnt als Pilgerreise zu seinem angeblichen Tod, damit das Geheimnis seiner wahren Natur vor den Mönchen auch weiterhin gewahrt blieb.
*
»Ich bin am Verhungern«, sagte Cayuba, kaum dass sie wieder in ihrem Haus in Inverness angekommen waren.
»Das sind wir wohl alle«, stimmte Cayelu zu.
»Und deshalb werden wir auch sofort auf die Jagd gehen«, schlug Cal vor. »Aber einer muss hierbleiben und auf die Steine aufpassen. Wenigstens, bis ein anderer von uns wieder da ist.«
»Ich mache das«, erbot sich Camiyu. »Ich halte es durchaus noch ein paar Stunden aus.« Er lächelte. »Seht nur zu, dass ihr nicht zu lange bleibt.«
»Versprochen«, sagte Cal und verschwand.
Cayuba und Camulal folgten seinem Beispiel, und Cassie und Cayelu machten aus ihrem Sprint zum Auto ein Wettrennen.
»Kommst du, Carana?«, rief Cassie ihr über die Schulter zu.
»Ich gehe allein auf die Pirsch«, entschied Carana. »Viel Spaß.« Sie winkte ihnen zu und schloss die Tür hinter ihnen.
»Erzähl mir nicht, dass du keinen Hunger hättest«, sagte Camiyu. »Du kannst mich ruhig allein lassen. Ich kenne ein paar magische Tricks, um die Steine wirksam vor einem Überfall Catunuas und fast jedes anderen zu schützen.«
Sie lächelte. Sie war Camiyu in den letzten drei Tagen, in denen sie jede Nacht Seite an Seite geschlafen und auch tagsüber manche Stunde zusammen verbracht hatten, zusätzlich zu ihrer Geistverschmelzung sehr nahegekommen. Sie fühlte sich nicht nur intensiv zu ihm hingezogen, sie fühlte sich eins mit ihm in einer Weise, die sie immer noch nicht begreifen konnte.
»Das glaube ich dir gern, Camiyu. Ich wollte mich nur nicht der rasenden Meute anschließen.«
Er grinste. »Das kann ich verstehen.« Abwartend sah er sie an.
»Außerdem habe ich dank Meister San – oder wie immer sein Name ist – zwar Frieden mit dem Sukkubus in mir schließen können, aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn ich mir nicht jedes Mal irgendeinen fremden Mann zum Stillen meines Hungers suchen müsste. Leider«, fügte sie mit ironischem Lachen hinzu, »kenne ich zu wenig ungebundene Männer gut genug, um mich mit ihnen einzulassen.« Genau genommen war Jarod der Einzige, aber der hielt sich in Edinburgh auf und arbeitete um diese Tageszeit
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