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Das Blut der Rhu'u

Das Blut der Rhu'u

Titel: Das Blut der Rhu'u Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Laue
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dunkle Straße hinunter, so schnell sie konnte, und wunderte sich über die Geschwindigkeit, die sie dabei an den Tag legte. Sie hatte noch nie so schnell rennen können. Aber das war unwichtig. In ihr tobten Gefühle, wie sie widersprüchlicher nicht sein konnten.
    Sie fühlte sich kraftvoll, energiegeladen, überlegen und wundervoll. Und sie fühlte sich elend, entsetzt, abgestoßen und ekelte sich vor sich selbst. Außerdem waren in ihr die Gefühle, teilweise sogar Erinnerungen des Mannes, mit dem sie gerade geschlafen hatte. So intensiv, dass sie am liebsten ihren Kopf gegen die nächstbeste Mauer geschlagen hätte, um sie wegzubekommen.
    »Carana!«
    Kyle umfing sie von hinten und hielt sie fest. Kara stieß ihn zurück. Kyle flog einige Yards weit durch die Luft, ehe er auf den Boden prallte. Kara erstarrte vor Schreck.
    »Wow!« Er rappelte sich grinsend und offenbar unverletzt wieder auf. »Ich sehe, die Fütterung war erfolgreich. Wie fühlst du dich?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Furchtbar!«, gestand sie, schüttelte erneut den Kopf und blickte ihren Bruder verzweifelt an. »Ich fürchte, ich habe ihn umgebracht! Ich konnte einfach nicht mehr aufhören, nachdem ich angefangen hatte, seine Energie einzusaugen. Aber wieso? Bei Tamon war das ganz anders.«
    Kyle legte den Arm um sie und ging mit ihr in die Richtung, in der er den Wagen geparkt hatte. Die Familie hatte ihn zu Karas »Trainer im Außendienst« ernannt. Als ihr Zwilling hatte er die stärkste emotionale Bindung zu ihr. Sie beide waren sich so nahe, als hätten sie einander schon immer gekannt und nicht erst vor einer Woche kennengelernt.
    »Tamon ist ein Inkubus und hat fast unbegrenzte Energie zur Verfügung. Da aber nicht für den Rest deines Lebens ein Inkubus zur Verfügung stehen wird, musst du lernen, deine Fütterung bei Menschen zu dosieren. Das geht nur, indem du mit ihnen übst.«
    Ihr kamen die Tränen. »Ich habe diesen Mann fast umgebracht! Er ist plötzlich gealtert. Innerhalb von Sekunden war er ein Greis. Vielleicht ist er sogar schon tot.« Sie blickte Kyle verzweifelt an. »Wie viele Männer werde ich töten, bis ich diesen Instinkt beherrsche?«
    Ihre Verzweiflung schnitt Kyle ins Herz. Er drückte sie an sich. »Es tut mir so leid, Carana. Es gibt leider keinen anderen Weg, diesen Reflex in den Griff zu bekommen als durch Übung. In ein paar Tagen hast du den Bogen raus. Mein Wort darauf.«
    »Und in mir sind seine Gefühle und Erinnerungen. Das ist ...«
    »Die vergehen in ein paar Minuten.« Er gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. Sie hatten den Wagen erreicht, und er öffnete ihr die Tür wie ein Kavalier. »Nach einiger Zeit wird dich auch das nicht mehr stören. Du lernst ziemlich schnell, diese Eindrücke auszublenden und sie nicht mehr bewusst wahrzunehmen.«
    Kara starrte ins Leere. »Wir sind wie – Vampire.«
    »In gewisser Weise ja«, antwortete er, nachdem sie beide eingestiegen waren. »Aber wir geben den Menschen etwas zurück für die Nahrung, die wir von ihnen bekommen: Freude, Entspannung, Ekstase und das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein. Manche von ihnen zehren davon für den Rest ihres Lebens.«
    Sie schüttelte den Kopf und blickte Kyle ernst an. »Kyle, dieser Mann wird sterben. In ein paar Stunden, in ein paar Tagen. Vielleicht ist er sogar schon tot.« Ein entsetzlicher Gedanke. Aber einem Teil von ihr war das vollkommen gleichgültig. Dieser Teil schwelgte immer noch in der Energie, die sie dem Mann entzogen hatte, und genoss die Kraft, die sie dadurch erlangt hatte, in vollen Zügen. Und er wollte noch mehr. Viel mehr.
    »Wenn es dich beruhigt, gehen wir zurück und sehen nach, was wir für ihn tun können«, bot Kyle ihr an und startete den Wagen.
    Sie nickte und hatte gleichzeitig Angst davor, den Mann tot aufzufinden. Zu ihrer großen Erleichterung erwies sich die als unbegründet. Als sie zu dem Haus kamen, in dem der Mann – ihr Opfer – wohnte, wurde er gerade auf einer Trage in einen Krankenwagen geschoben. Aber er war noch am Leben. Uralt, aber am Leben.
    »Siehst du«, beruhigte Kyle sie. »Du hast ihn nicht getötet.«
    »Noch nicht«, korrigierte sie. »Aber du hast ihn gesehen. Wie lange, glaubst du, lebt er noch? Eine Woche? Einen Monat, ehe er an der Altersschwäche stirbt, die ich verursacht habe?« Tränen traten in ihre Augen. »Kann man das nicht wieder rückgängig machen?«
    Er zögerte. »Wären deine Kräfte schon voll ausgereift und unter Kontrolle, könntest du ihm

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