Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
aus seinem Käfig. »Ich schwöre es bei allen Göttern! Ich tat nicht mehr, als mich in einem Gasthof einzumieten, dann kamen schon Soldaten und haben mich abgeführt! Sogar mein Talent hat mich nicht gewarnt, was daran liegt, dass das, was hier geschieht, nicht auf eine meiner Handlungen zurückzuführen ist!«
Das Seltsame daran war, dass ich ihm glaubte.
»Woher wisst Ihr von diesem Mann?«, fragte ich vorsichtig, und Desina seufzte.
»Lanzenobristin Miran ist äußerst gewissenhaft. Bei der Nachbesprechung erwähnte sie den Bericht, den sie Euch vor der Schlacht bei Dunkelschacht für uns mitgegeben hat. Es stellte sich heraus, dass er auf dem Weg zu Orikes Tisch irgendwie verloren ging.« Ihre grünen Augen waren nicht halb so freundlich, wie ich es von ihr kannte. »Ich gab Euch große Handlungsfreiheit, Lanzengeneral, das könnt Ihr nicht bestreiten. Selbst Euren ›Urlaub‹ in der Ostmark habe ich durchgehen lassen. Aber dass Ihr Berichte zurückhaltet, ist ein Schritt zu viel.«
»Diese Berichte sind nicht nur ein Stück Papyira«, sagte jetzt Asela voller Überzeugung. »Es sind Zeugnisse von Geschehnissen, die ihren Schreiber überdauern. Dass Miran noch lebt, grenzt an ein Wunder … wäre sie gefallen, hättet Ihr uns ihre letzten Worte vorenthalten.«
»Ihr habt uns noch mehr vorenthalten«, nahm die Kaiserin den Faden auf. »In all Euren Berichten habt Ihr es bisher versäumt, diesen Mann auch nur zu erwähnen. Kein Wort darüber, dass er es war, der Euch half, den Feuerinseln zu entfliehen, nicht ein Wort, auch nicht von Lanzenmajor Blix, welche Rolle dieser Ser in Lassahndaar spielte.« Ihr Ton ließ vermuten, dass Blix ebenfalls noch ihren Unmut verspüren würde. »Jemand, der seine Zukunft sieht«, fuhr die Kaiserin kühl fort, »und diese und die von anderen durch seine Handlung so beeinflussen kann, dass es ihm zum Vorteil gereicht, ist so unermesslich gefährlich für uns und das Reich, gerade wo wir uns in diesem Konflikt befinden, dass es meinen Rahmen des Verständnisses sprengt, dass Ihr uns alles über diesen Mann vorenthalten habt.«
»Ich …«, begann der blutige Marcus, um von Aselas kaltem Blick abgewürgt zu werden.
»Ihr werdet Gelegenheit erhalten, Euch zu äußern, also schweigt.«
»Ich erwarte eine Erklärung von Euch, Lanzengeneral«, fuhr die Kaiserin jetzt fort, und so, wie sie vor mir stand, in dieser Robe, mit diesem geraden Blick und geraden Rücken, war sie die Kaiserin, nicht mehr die junge Eule, die ich meist lachend erlebt hatte, sondern die Verkörperung des gesamten Kaiserreichs … und der Last und Verantwortung, die sie auf ihren Schultern trug. »Nicht nur von Euch, Lanzengeneral, sondern auch von Schwertobristin Helis, Leandra, all Euren Gefährten, Ihr alle wusstet von diesem Mann und Ihr habt es gemeinsam vorgezogen, über ihn Stillschweigen zu bewahren. Ihr dient dem Reich , Lanzengeneral, habt Ihr das vergessen? Ich verstehe nicht, wie Ihr so handeln konntet, und ich weiß nicht, wie ich Euch noch vertrauen soll!«
Jedes ihrer Worte trug die Wucht ihrer Überzeugung … und ihrer schmerzhaften Enttäuschung wie Hammerschläge an mich heran. Ich verstand, was sie mir sagte. Sie, die Eule, Askannons Erbin, Kaiserin über dieses riesige Reich, hatte uns in ihren engsten Rahmen aufgenommen, uns vertraut … und dieses Vertrauen glaubte sie gebrochen … und hatte zum Teil damit auch recht.
Ich suchte noch nach Worten, als Serafine den Kopf hob und Desina gerade in die Augen sah.
»Und genau darin, Hoheit, begeht Ihr einen gefährlichen Irrtum«, sagte Serafine ruhig, aber mit der gleichen Entschlossenheit. Hier stand die Kaiserin von Askir, die uns ihre Vorwürfe mit voller Überzeugung entgegenwarf, und es war Serafine, die ihr mit wenigen Worten Gleiches entgegensetzte. Desina mochte Maestra, Eule und Kaiserin sein, doch für Serafine schien dies im Moment nicht von Belang, vielmehr drückte ihre gesamte Haltung aus, dass sie sich im gleichen Maße im Recht befand und sich Desina als gleichgestellt ansah.
Wieder kam es mir vor, als wäre es einer dieser Momente, in denen sich die Weltenscheibe drehte, die Zukunft umgeschrieben wurde, und ich sah in ihren Augen, dass die Kaiserin und auch Asela dies verstanden und davon genauso überrascht waren.
Es hatte sich nichts verändert, und doch hatte es Serafine mit diesen wenigen Worten vollbracht, das Gleichgewicht zu verschieben.
»Möchtest du uns das erklären, Finna?«, fragte Asela ruhig.
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