Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
Wasserhahn auf. »Macht einfach Platz.«
»Krass. Gerne«, sagte Steph Merritt und wich zurück. Dann fragte sie: »Soll ich dir eine Bürste leihen oder irgendwas anderes?«
Ich betrachtete mich im Spiegel. Vielleicht war es schon ein paar Tage her, seit ich das letzte Mal geduscht hatte. Wahrscheinlich sahen meine Haare aus, als könnte man Salat darin mischen. Und dieses Sweatshirt passte trotz des grünen Narrenkappenflecks auf keinen Fall zu meiner dunkelgrünen Jeans. Hätte meine Mutter in diesem Augenblick mein fleckig aufgetragenes Make-up gesehen, hätte sie mir wahrscheinlich Hausarrest verpasst.
Aber ich wollte keine Almosen – weder von den Pennern draußen noch von den Bambis mit ihren Bürsten.
»Alles in Ordnung«, log ich zum hundertsten Mal seit meinem Zusammenbruch beim Ball am Freitag.
Es war ein langes Wochenende gewesen. Mike war vorbeigekommen, aber ich hatte ihn nicht sehen wollen. Als das Telefon klingelte, stellte ich es aus. Meine Mutter klopfte und ich verschloss die Tür. Alles, was ich zustande brachte, war, auf dem Bett zu liegen, mir unser Video »Der Weg nach Palmetto« in Endlosschleife anzusehen und mich zu fragen, was wohl nach meinem Abgang auf dem Ball geschehen war.
Außerdem war ich mir nicht sicher, wie ich mit der Tatsache umgehen sollte, dass ich einen Geist gesehen hatte. Es schien mir nur eine Frage der Zeit zu sein, bis J. B. zurückkehrte, um mich zu verfolgen … für immer.
Dieser Morgen war viel zu schnell gekommen, und langsam erkannte ich, dass ich jetzt zwei Identitäten hatte: Die eine war die Natalie, die die Bambis vor sich sahen – übernächtigt, zerlumpt und ungewaschen. Die Gefallene. Und dann gab es noch mein wahres Ich – das sich mit nichts anderem beschäftigte, als darauf zu warten, dass J. B. wiederkam.
Ich verließ den Waschraum und lief wie betäubt durch die Gänge. Würde ich wirklich zur ersten Stunde gehen, mich hinsetzen und meinen Ordner mit dem geprägten Palmetto-Siegel aufschlagen, um mir Notizen zu machen? Würde ich wirklich eine weitere Woche der Gerüchteküche überstehen?
»Nat?« Ich spürte, wie mir von hinten jemand auf die Schulter tippte. Es war Amy Jane, die mich besorgt ansah. »Ich habe das ganze Wochenende versucht, dich zu erreichen.«
Ich nickte und schwieg.
»Ich versuche, eine Premierenparty für euren ›Weg nach Palmetto‹ zu organisieren, und muss wissen, wann ihr Zeit habt.«
»Das ist nicht nötig«, murmelte ich.
»Natürlich ist es das. Du und Mike, ihr habt so hart für dieses Video gearbeitet. Es wäre doch zu schade, wenn ihr euren großen Moment nicht genießen könntet, nur weil du zu einem ungünstigen Zeitpunkt einen kleinen Kreislaufzusammenbruch hattest … Sag mal, ist das Erbsensuppe auf deinem Sweatshirt?«
»Moment mal!« Mein Kopf flog hoch. »Was hast du gesagt? Das Video wurde am Freitag nicht gezeigt?«
»Natürlich nicht.« Amy zuckte mit den Achseln. »Ohne das königliche Paar ergab das keinen Sinn. Nachdem du ohnmächtig geworden bist, hatten wir anderen irgendwie keine rechte Lust mehr.« Sie beugte sich dichter zu mir. »Ist alles in Ordnung? Deine Pupillen sind so riesig.«
»Du willst damit also sagen, dass Ari das Video nicht abgespielt hat?« Ich musste mich an den Riemen meines Rucksacks festhalten.
Amy Jane nickte und biss sich gleichzeitig auf die Unterlippe.
Also existierten die alten Feinde immer noch. Wir hatten nichts erreicht am Freitagabend. Und nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Baxter wieder seinen drogenvernebelten Kopf hob. Bei Kates Wankelmütigkeit war es gut möglich, dass er sie vollends auf seine Seite zog. Schlimmer noch, ich hatte kein Druckmittel mehr, um Officer Parker dazu zu bringen, Baxter an meiner Stelle zu verhaften. Freitagabend war der einzige Moment gewesen, als alle Sterne darauf hinzudeuten schienen, dass Mike und ich die Oberhand behielten. Doch J. B.s Geist hatte dafür gesorgt, dass uns alles, was wir uns zurechtgelegt hatten, durch die Finger geglitten war. Wir mussten ganz von vorne anfangen. Aber diesmal war mir klar, dass wir keine Chance hatten.
»Also, ich kann dich Mittwoch um vier, Donnerstag um sechs oder Freitag um sieben einpla…, Nat?«, rief mir Amy Jane nach. »Wohin gehst du denn?«
Ich lief um die Ecke in den Gang, in dem Mike und die anderen Footballspieler ihre Schließfächer hatten. Er war nicht da.
»Wo ist Mike?«, wollte ich von den nächstbesten Schülern wissen, an denen ich vorbeikam. Ich
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