Das Bourne-Attentat
Vater lieben, das ist Ihr Hauptproblem, Pjotr. Sie haben noch nicht begriffen, dass Hass und Liebe so ziemlich das Gleiche sind – weil nämlich ein Mensch, der liebt, genauso leicht zu manipulieren ist wie ein Mensch, der hasst.«
Pjotr verzog den Mund, als hätten Ikupows Worte einen bitteren Geschmack darin hinterlassen. »Außerdem ist es sowieso zu spät. Das Dokument ist schon unterwegs.«
Ikupows Haltung veränderte sich augenblicklich. Alles in ihm spannte sich an, so dass sein kleiner Körper wie eine Waffe aussah, die jeden Moment losgehen konnte. »Wohin haben Sie es geschickt?«
Pjotr zuckte mit den Achseln, sagte aber nichts.
Ikupows Gesicht verdunkelte sich vor Zorn. »Glauben Sie wirklich, ich weiß nichts über die Informationskanäle, die Sie in den vergangenen drei Jahren eingerichtet haben? Auf diese Weise schicken Sie das Material, das Sie mir gestohlen haben, zu Ihrem Vater, wo immer er ist.«
Zum ersten Mal, seit er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, lächelte Pjotr. »Wenn Sie irgendetwas Wichtiges über diese Kanäle wüssten, dann hätten Sie längst etwas dagegen unternommen.«
Pjotrs Antwort ließ Ikupow die Kontrolle über seine Emotionen wiedergewinnen.
»Ich habe dir ja gesagt, dass es sinnlos ist, mit ihm zu reden«, warf Arkadin von seinem Platz hinter Pjotrs Sessel ein.
»Trotzdem«, erwiderte Ikupow, »es gibt gewisse Spielregeln, die man einhalten muss. Ich bin ja kein Tier.«
Pjotr schnaubte verächtlich.
Ikupow sah seinen Gefangenen schweigend an. Er lehnte sich zurück, zog sorgsam sein Hosenbein hoch, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Finger vor dem Bauch.
»Ich gebe Ihnen noch eine letzte Chance, dieses Gespräch fortzusetzen.«
Erst als das Schweigen sich unerträglich in die Länge zog, hob Ikupow seinen Blick zu Arkadin.
»Pjotr, warum tun Sie mir das an?«, sagte er schließlich in resignierendem Ton. Zu Arkadin gewandt, fügte er hinzu: »Fang an.«
Obwohl es überaus schmerzhaft war, versuchte Pjotr sich auf seinem Stuhl umzudrehen, doch er konnte trotzdem nicht sehen, was Arkadin tat. Er hörte das Klappern von irgendwelchen Gegenständen auf einem Metallwagen, der über den Teppich gerollt wurde.
Pjotr wandte sich wieder Ikupow zu. »Sie machen mir keine Angst.«
»Ich will Ihnen auch keine Angst machen, Pjotr«, erwiderte Ikupow. »Ich will Ihnen wehtun. Sehr, sehr wehtun.«
Mit einem schmerzhaften Zucken zog sich Pjotrs Welt zu einem winzigen Punkt zusammen, nicht größer als ein Stern am Nachthimmel. Er war innerhalb der Grenzen seines Bewusstseins eingesperrt, und trotz seines Trainings und seines ganzen Mutes gelang es ihm nicht, den Schmerz zu verdrängen. Er hatte eine Kapuze über dem Kopf, die am Hals fest zugezogen war. Die Enge der Kapuze verstärkte den Schmerz hundertfach, weil Pjotr bei all seiner Furchtlosigkeit an Klaustrophobie litt. Für jemanden, der enge Räume mied, der noch nie einen Fuß in eine Höhle gesetzt hatte und der sich auch nicht unter Wasser wagte, stellte eine solche Kapuze die schlimmste aller möglichen Welten dar. Seine Sinne verrieten ihm wohl, dass er sich gar nicht in einem engen Raum befand, doch sein Verstand wollte das einfach nicht akzeptieren und versetzte ihn in helle Panik. Die Schmerzen, die Arkadin ihm zufügte, waren schlimm genug – doch ihre Verstärkung durch diese Panik machte sie unerträglich. Pjotrs Verstand geriet außer Kontrolle. Er fühlte sich wie ein Wolf in der Falle, der sich in seiner Verzweiflung das eigene Bein abbeißen wollte. Doch sein Verstand war kein Glied, das sich abbeißen ließ.
Wie aus der Ferne hörte er, wie jemand ihm eine Frage stellte, deren Antwort er kannte. Er wollte nicht antworten, doch er wusste, dass er es tun würde, weil die Stimme ihm sagte, dass sie ihm dann die Kapuze abnehmen würden. Sein in die Enge getriebener Verstand wollte nur eines – dass die Kapuze wegkam. Er konnte nicht mehr unterscheiden zwischen Richtig und Falsch, zwischen Gut und Böse, zwischen Lüge und Wahrheit. Er kannte nur noch ein einziges Ziel – das nackte Überleben. Pjotr versuchte, seine Finger zu bewegen, aber der Mann, der ihn verhörte, drückte sie wahrscheinlich mit seiner Hand nieder.
Pjotr hielt es nicht länger aus. Er beantwortete die Frage.
Die Kapuze kam nicht herunter. Er schrie auf vor Empörung und Angst. Natürlich bleibt sie oben, dachte er in einem kurzen Moment der Klarheit. Hätten sie sie abgenommen, so hätte er keinen Anreiz
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