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Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name

Titel: Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymus
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Bourbon.

Zwei
    Vater Taos war zum Heulen zumute. Nicht, dass es keine traurigen Momente in seinem Leben gegeben hätte, im Gegenteil: traurige Tage, traurige Wochen, ja hin und wieder sogar den einen oder anderen traurigen Monat. Doch das hier war das Schlimmste. Es war das Traurigste, was er in seinem Leben je empfunden hatte.
    Er stand, wo er so häufig stand, am Hochaltar im Tempel von Herere, und blickte hinab auf die Reihen von Bänken unter sich. Heute jedoch war etwas anders als sonst. Die Bänke waren nicht, wie er sie gerne gesehen hätte. Normalerweise waren sie wenigstens zur Hälfte gefüllt mit den verdrießlichen Gesichtern zahlreicher Brüder seines Ordens von Hubal. Zu den wenigen Gelegenheiten, an denen die Bänke leer blieben, zog er sein Vergnügen aus ihrer einfachen, geradlinigen Eleganz oder dem entspannenden lilafarbenen Polster der Sitzflächen. Nicht aber an diesem Tag. Weder waren die Bänke geradlinig noch die Polster lilafarbig. Und am Schlimmsten von allem war, dass seine Ordensbrüder keineswegs verdrießlich dreinblickten.
    Der Gestank, der die Luft erfüllte, war nicht vollkommen unvertraut. Vater Taos war schon einmal einem ähnlichen Gestank begegnet – fünf Jahre zuvor, um genau zu sein. Er brachte Übelkeit erregende Erinnerungen zurück, denn es war der Gestank des Todes, der Zerstörung und des Betrugs, eingehüllt in den Dunst von Schießpulver.
    Die lilafarbenen Polster der Bänke waren überzogen von rotem Blut. Selbst ein Optimist hätte sie nicht länger als hübsch und sauber beschreiben können – sie waren ein einziges Chaos. Und was die Verdrießlichkeit im Blick der Brüder des Ordens von Hubal anging … Sie blickten nicht mehr verdrießlich drein, sondern tot. Alle. Ohne Ausnahme.
    Indem Vater Taos den Blick hob, zur Gänze, volle fünfzehn Meter, sah er Blut von der Decke tropfen. Das perfekt geschwungene Marmorgewölbe hoch über ihm war Jahrhunderte zuvor mit wunderschönen Bildern ausgeschmückt worden, Szenen, in denen heilige Engel mit glücklich lächelnden Kindern tanzten. Doch da er sie anstarrte, waren sämtliche Engel und Kinder befleckt vom Blut der Mönche unter ihnen. Es schien, als hätte sich selbst der Ausdruck in ihren Gesichtern verändert. Sie blickten nicht länger unbeschwert und glücklich drein. Ihre blutbesudelten Gesichter wirkten betrübt, reumütig und traurig. Genau wie Vater Taos.
    Es waren gut dreißig Leichen, die zusammengesunken über den Bänken hingen. Noch einmal so viele, ungefähr jedenfalls, lagen außer Sicht zwischen den Sitzreihen oder am Boden. Nur ein einziger Mann hatte das Massaker überlebt, und das war Vater Taos selbst. Er hatte einen Schuss in den Bauch aus kürzester Entfernung erhalten, von einem Mann, der eine doppelläufige Schrotflinte geschwungen hatte. Der Schmerz war beinahe unerträglich gewesen, und die Wunde blutete immer noch ein wenig, doch sie würde verheilen. Vater Taos’ Wunden verheilten stets, wobei er im Laufe der Zeit gelernt hatte, dass Schusswunden in der Regel Narben hinterließen. Er hatte in seinem Leben zwei weitere Schusswunden erhalten, beide vor fünf Jahren, beide in der gleichen Woche, im Abstand von wenigen Tagen.
    Es waren noch genügend Mönche auf der Insel am Leben geblieben, um ihm beim Aufräumen der Sauerei zu helfen. Es würde hart werden für sie, so viel war Vater Taos klar. Es würde ganz besonders hart werden für diejenigen, die vor fünf Jahren schon hier gewesen waren, als das letzte Mal der Geruch von Schießpulver den Tempel mit seinem faulen, gottlosen Odem erfüllt hatte. Deswegen war es ein tröstlicher Anblick für Taos, als zwei seiner jüngeren Lieblingsmönche, Kyle und Peto, den Tempel durch das klaffende Loch betraten, wo einst eine gewaltige geschwungene Doppeltür den Eingang gebildet hatte.
    Kyle war um die dreißig Jahre alt, Peto näher an zwanzig. Im ersten Moment und bei flüchtigem Hinsehen konnte man sie für Zwillinge halten. Es war nicht bloß ihr Aussehen, sondern auch ihr Verhalten, das sich so sehr ähnelte. Hinzu kam, dass sie sich gleich kleideten und dass Kyle seit beinahe zehn Jahren Petos Mentor gewesen war; da war es nicht ausgeblieben, dass der jüngere Mönch unbewusst angefangen hatte, das nervöse, übervorsichtige Verhalten seines älteren Freundes zu imitieren. Beide Männer besaßen eine glatte olivenfarbene Haut und rasierte Schädel. Sie trugen identische braune Roben, genau wie die vielen toten Mönche im Tempel.
    Auf

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