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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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schwarze Augen ohne menschliche Regung.
    » Ich weiß, dass du hier bist «, rief sie, während sie durch das Unterholz preschte, unter eisbeladenen Fichtenzweigen hindurchtauchte und Stolperfallen im Schnee auswich. Sie kannte jeden Fingerbreit ihres Weges, jede Wurzel, jeden Erdspalt, jeden Baum. » Du warst das! Du hast den Jungen aus seinem Versteck getrieben, nicht wahr? «
    Sie wusste, dass sie keine Antwort bekommen würde. Der Schatten, der ihr in einigem Abstand folgte, sprach niemals zu ihr.
    Es war ein Eber. Größer als jedes andere Tier in diesen Wäldern. Und sie vertraute ihm, denn sie kannten einander schon lange, seit Libuse ihm als Kind zum ersten Mal im Dunkel eines Tannenhains begegnet war. Damals hatte sie ihm einen Namen gegeben: Nachtschatten.
    » Ich hab dich nicht gebeten, das zu tun … den Mönch aus den Büschen zu scheuchen. « Ihr Atem jagte, eher vor Aufregung als vor Anstrengung von ihrem Lauf durch den stillen Winterwald. » Ich hab ’ gewusst, dass er sich dort versteckt. Hast du gedacht, ich merk das nicht? Ich wäre auch allein mit ihm fertig geworden! «
    Rechts von ihr brach etwas durch das Unterholz. Äste knackten, Schneemassen prasselten aus der Höhe herab. Irgendwo dort lief der Eber, jetzt parallel zu ihrem eigenen Weg. Wäre sie stehen geblieben, dann wäre auch er verharrt; aber weil sie rannte, stürmte er ebenfalls durch den Wald. Sie konnte ihn als schwarzen Schemen zwischen den Stämmen sehen, fünfzehn oder zwanzig Schritt entfernt, ein Umriss, der die Schatten verwischte und stets ein wenig davon mitzureißen schien.
    Manchmal machte Nachtschatten ihr Angst, aber nicht an diesem Tag. Sie war viel zu wütend, um sich vor irgendetwas zu fürchten. Wütend auf ihn, wütend auf sich. Und auf den jungen Mönch, diesen Dummkopf.
    Ihr Vater hatte sie gewarnt, es zu weit zu treiben. Sie hatte ihm versprochen, nie wieder das Erdlicht heraufzubeschwören. Und, ja, sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie es trotzdem tat. Aber es fühlte sich so gut an; es wärmte jede Faser in ihr, besänftigte ihre Unruhe und vertrieb alle Fragen, die in ihr tobten und auf Antworten drängten. All die Fragen an ihre tote Mutter.
    Das Erdlicht, der Schein aus dem Inneren der Bäume, war etwas Gutes. Es gab keinen Grund, es zu meiden. Libuse hatte das Talent, es zu wecken, und warum, zum Teufel, sollte sie es nicht nutzen? Früher hatte sie geglaubt, ihr Vater sei neidisch, weil er selbst keine Macht über das Erdlicht besaß. Jetzt wusste sie, dass das nicht stimmte. Es hatte ihn geschmerzt, dass die Mönche seine Bitte ausgeschlagen hatten, Libuse in ihrer Schule zu unterrichten. Und nun fürchtete er, dass sie in ihrer Angst vor Fremdem noch weiter gehen würden, falls sich herumsprach, welche Fähigkeiten sie besaß.
    » Sie werden behaupten, du seiest eine Hexe «, hatte er ihr erklärt, ihr dabei seine mächtigen Pranken auf die Schultern gelegt und ernst in die Augen geblickt. » Eine Hexe, Libuse! Und wenn sie dich erst fürchten, dann werden sie irgendwann kommen und fordern, dass ich dich herausgebe. «
    » Herausgeben? «, hatte sie damals gefragt.
    » Sie werden dich auf den Scheiterhaufen bringen. Oder dich aufhängen. Das ist es, was sie tun, mit Menschen, die anders sind als sie. «
    Sie hatte damals nicht verstanden, weshalb irgendwer sie würde aufhängen wollen, nur weil sie das Licht aus dem Holz der Bäume hervorlocken konnte und weil da eine Verbindung bestand zwischen ihr und dem Wald. Und dem, was zwischen seinen Stämmen umging, uralt und unsichtbar. Weshalb sollte jemand ihr deshalb den Tod wünschen?
    Mit sechzehn Jahren war sie inzwischen alt genug, vieles über die Welt außerhalb des Turms, außerhalb der Wälder zu wissen. Nun war sie froh, dass sie nicht in die Schule der Mönche hatte gehen dürfen, denn ihr lag nichts an dem, was man ihr dort beigebracht hätte. Alles, was sie wissen wollte, konnte sie hier draußen im Wald lernen. Von ihrem Vater, von den Tieren, den Bäumen und dem Wind, der zu ihr wisperte.
    Und dann war irgendwann dieser Junge aufgetaucht. Der Novize.
    Er kam aus der Abtei wie die anderen, aber damals, als sie mit ihrem Vater dort gewesen war, war er ihr nicht einmal aufgefallen. Er war nur einer von vielen, die dort lebten, fünfzig oder sechzig waren es wohl. Und er war so einfältig wie sie alle, vielleicht sogar ein wenig zurückgeblieben, wenn man bedachte, wie grob und unbeholfen er sich im Wald bewegte. Hatte er denn nicht

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