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Das Burggespenst von Schreckenstein

Das Burggespenst von Schreckenstein

Titel: Das Burggespenst von Schreckenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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in der Zwickmühle.“
    Stephan nahm ein zweites Stück Kuchen, und während er hineinbiss, fuhr Ottokar fort: „Du kennst unsere Grundregel für Streiche: Es darf niemand darunter zu leiden haben — es sei denn, einer soll einen Denkzettel kriegen —, und es darf nichts dabei beschädigt werden! Insofern war das kein Streich. Kein Schreckensteiner Streich. Aber jetzt überzeuge mal jemand davon, dass wir’s nicht waren!“
    „Das konnten die beiden ja nicht wissen. Das wird ihnen bestimmt leid tun!“ beschwichtigte sie die Botschafterin und knüpfte gleich zwei Fragen dran: „Was habt ihr also vor? Was erwartet ihr von den Mädchen?“
    In diesem Augenblick klopfte es an die Tür. Botschaftsrat Doktor Waldmann öffnete.
    Draußen stand Kurier Mücke mit einer wichtigen Nachricht.
    „Es ist soweit“, sagte er. „Die beiden Gäste reisen ab. Sie sind schon im Sternenhof bei ihren Wagen.“
    Ottokar und Stephan schoben den Kuchen, den sie noch auf dem Teller hatten, auf einen Sitz in den Mund und mampften zweistimmig: „Dann nichts wie rüber!“
    „Erraten“, sagte Mücke. „Sonst reisen wir womöglich bald hinterher.“ In diesem Augenblick sah er den Kuchen auf dem Tisch. „Ihr gestattet doch. Angesichts der Lage...“ Die erschien ihm derart ernst, dass er gleich zwei Stück nahm.
    Da durften Stephan und Ottokar nicht nachstehen. Auch sie griffen noch einmal zu, grüßten stumm und liefen hinaus.
    „Halt!“ rief die Botschafterin hinterher. „Was soll ich denn drüben bestellen?“
    „Nichts“, quetschte Stephan an einem großen Bissen vorbei, schluckte kurz und fügte etwas deutlicher hinzu: „Sag ihnen, wir verpfeifen sie nicht. Aber sie sollen bitte keine Streiche mehr machen!“
    Die Tür der Botschaft fiel ins Schloss.
    Im Sternenhof standen zwei Wagen mit offenen Türen. Am einen war der lange Dürre beschäftigt. Er legte Mäntel und Decken zusammen und verstaute sie ordentlich auf dem Rücksitz. Auch seine Glatze war ordentlich verstaut: unter einem sehr kleinen, sehr karierten Hut.
    Die selbstgetrimmte Frau stand hinter ihrem Wagen vor der hochgeklappten Hecktür. Mit einem Zeigefinger stützte sie das mittlere ihrer Doppelkinne und schaute versonnen in den Kofferraum, wie ein Schachspieler, der über den nächsten Zug grübelt.
    Als die Ritter im Laufschritt in den Sternenhof kamen, schauten beide auf. Sofort fielen die drei in ruhige Gangart zurück, und Mücke tat putzmunter: „Was seh ich da! Wollen Sie etwa schon abreisen? Wo wir uns noch so viele schöne Spiele ausgedacht haben!“
    „Dass ihr euch überhaupt noch hertraut!“ grollte der Dürre.
    „Warum sollten wir nicht?“ fragte Stephan scheinheilig.
    Finster blickte der Dürre und ging zu der Frau, als brauche er Verstärkung. „Das wisst ihr ganz genau!“ sagte er ungenau.
    Die Frau spielte sofort die Klügere. Sie hob die Nase und sagte spitz: „Ich hab’s von Anfang an geahnt. Mit einer Schule nebenan hat man keine Ruhe!“
    „Wegen euch gehen wir. Damit ihr’s wisst!“ polterte der Dürre hinterher.
    Die Ritter sahen einander an. Was sollten sie antworten? Die Wahrheit, dass sie’s nicht waren, schied aus. Niemand hätte ihnen geglaubt. Zeigten sie Bedauern oder entschuldigten sich gar für die Vorfälle, käme das einem Geständnis gleich. Ebenso, wenn sie gar nichts sagten.
    Zu allem Überfluss erschien in diesem Augenblick auch noch Jean mit einem Koffer. Die Zwickmühle war komplett.
    Auf der Suche nach einem Ausweg fragte Stephan: „Können wir was helfen?“
    „Finger weg!“ herrschte Jean ihn an und hievte den Koffer in den offenen Kofferraum.
    Sofort griff die Frau danach. Schlösser schnappten, sie öffnete den Deckel, nahm ein Kleid heraus und zeigte es den Rittern.
    „Da, seht, was ihr angerichtet habt! Verknittert, verdreckt! Gestern Abend wollte ich es anziehen.“ Sie hielt ein helles Etwas hoch, das ein paar durcheinanderlaufende Falten aufwies, wie ein Hemd, das einer vorübergehend als Sitzkissen benützt hat. Unten war es grau, dunkelgrau. Besonders an der Kante, wie bei zu langen Hosen.

    Mücke fiel etwas ein. Er spielte den Hilfreichen. „Ich wüsste eine Reinigung in Wampoldsreute. Da hätten Sie’s in zwei Stunden wieder. Picobello!“
    „Unverschämtheit!“ Die Frau lief rot an.
    Zuerst ruiniert ihr unsere Sachen“, ereiferte sich der Dürre, dass ihm sein karierter Hut auf die Ohren rutschte, „und dann... Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, nachzuschauen, was alles fehlt.

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