Das Burggespenst von Schreckenstein
wer, meinen Sie, könnte dies selbe entwendet haben?“ fragte der Beamte, um Schriftdeutsch bemüht.
„Die Jungen auf keinen Fall! Höchstens einer der Gäste, der die Geisterstunde ausgenutzt hat.“ Sie lächelte zu den Rittern hinüber.
„Wenigstens ein anständiger Mensch!“ flüsterte der kleine Kuno.
Die Sture von den „Acht Grazien“, die Ottokar aus dem Bett gekippt hatte, legte eine große Schau hin. „Ich muss mich beschweren. Ich will Anzeige erstatten, Herr Wachtmeister! Ich bin in meiner Gesundheit geschädigt worden. Ich habe eine anstrengende Kur hinter mir und wollte mich hier erholen. Da kommen nachts diese halbwüchsigen Gespenster und...“
„Auf Wunsch, Verzeihung... ks... Auf Wunsch vieler Gäste“, dämpfte Mauersäge.
„Ye!“ quakte das amerikanische Riesenbaby. „Wir haben wollen Gespenste!“
Seine Landsleute johlten und lachten. „Ye. It was great fun!“
Sie waren bei der Vernehmung vorgezogen worden, weil ihr Bus schon wartete, und verließen winkend und den Rittern zunickend den Saal. Dabei nahm mancher mit einem Blick auf Jeans Tisch Abschied vom entgangenen Souvenir.
„Die andern bitte ich noch zu bleiben und sich für eventuelle Rückfragen bereitzuhalten“, verkündete der Polizist, der an der Tür stand.
„Ich werde trotzdem Anzeige erstatten!“ fing die Grazie wieder an und sah sich beifallheischend um. Da blieb ihr Blick an Jean hängen. Der lehnte an seinem Tisch, deutete kopfschüttelnd auf einen glänzenden Gegenstand und lächelte. Von da ab schwieg die Grazie wie ein Grab.
Bei der Vernehmung der Ritter konnten die Beamten nicht immer ernst bleiben. Beispielsweise, als Strehlau berichtete: „Ich scheuche da so einen alten Dampfer. Plötzlich bleibt dem der Motor stehen. Da hab ich ihn mit einer Stecknadel angeschoben und schon lief er wieder, wie ‘ne Eins. Nachher schau ich in seinen Spind. Was hat er denn da für ein Monstrum von Nagelreiniger? denke ich. War’s der Hirschfänger aus der Diele.“
Mitten in die Vernehmung der führenden Ritter platzte Doktor Waldmann. „Ist heute kein Unterricht?“ fragte er leise. „Es gibt Wichtigeres!“ ließ ihn Dieter wissen.
Da platzte schon der nächste herein. Ein Polizist mit einer Plastiktüte. Zuerst tuschelte er mit einem der Beamten, ging dann zur Brillenschlange und zog mit der Frage „Ist das Ihr Schmuck?“ die mexikanische Kostbarkeit mit den tauben-eiergroßen Steinen aus der Tüte.
„Mein Gott! So ein Glück!“ jubelte die Brillenschlange und griff danach. „Am liebsten würde ich Ihnen einen Kuss geben, Herr Wachtmeister!“
„Den können Sie sich sparen“, sagte der Polizist barsch, „sie sind verhaftet!“
Der Satz schlug wie eine Bombe ein. Nicht nur bei der Brillenschlange. „Ja, aber...“, stammelte sie. „ich versteh das nicht. Das muss ein Irrtum...“
„Das wird sich alles rausstellen. Kommen Sie jetzt!“ sagte der Polizist, nahm sie am Arm und führte sie hinaus. „Mir geht ein ganzer Christbaum auf!“ brummte Mücke.
Alles tuschelte und suchte nach Erklärungen. Mancher Gast fing zu zittern an, wegen der „Souvenirs“ die die Ritter in seinen Sachen gefunden hatten.
Nur Klaus war schon wieder zum Blödeln aufgelegt. „Mit ihrem grünen Anzug passt sie prima zur Minna!“ Eine Kopfbewegung zum Fenster — draußen im Sternenhof wartete der Gefängniswagen.
Die Aufregung hatte sich noch nicht gelegt, da kam der Kommissar mit dem Rex herein. Beide blieben in der Mitte stehen und warteten, bis Ruhe eintrat.
„Schulversammlung mit Gästen!“ witzelte der kleine Herbert.
„Meine Damen und Herren“, begann der Kommissar, „die Sache hat sich aufgeklärt. Wir haben es mit einem Betrügerpärchen zu tun, das von Interpol seit langem gesucht wird. Die beiden sind auf Hoteldiebstahl spezialisiert und arbeiten mit einem simplen, aber wirkungsvollen Trick: Zuerst kommt sie, nimmt sich ein Zimmer, gibt sich als Millionärsgattin aus und ist entsprechend angezogen. Sie will auffallen. Vor allem mit Schmuck. Dann kommt er und lernt sie etwas später ,zufällig’ kennen. Die beiden freunden sich augenscheinlich an. Zur Freude aller Klatschbasen. Bis er eines Tages abreist. Beruflich, wie er sagt. Nachts kommt er wieder und klaut. Wo was zu holen ist, hat er als Hotelgast ausspioniert. Auch von ihr nimmt er einen auffallenden Schmuck mit. So ist sie bei der Vernehmung unter den Bestohlenen und kann mit ihrer Aussage die Polizei auf eine falsche Spur lenken und
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