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Das Chagrinleder (German Edition)

Das Chagrinleder (German Edition)

Titel: Das Chagrinleder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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keinen Onager. Ein wunderbares Tier! Es steckt voller Geheimnisse; sein Auge ist von einer reflektierenden Haut überzogen, der die Orientalen eine bannende Kraft zuschreiben; sein Fell ist geschmeidiger und glatter als das unserer schönsten Pferde, mit mehr oder weniger hellen falben Streifen und gleicht dem des Zebras. Das Haar hat etwas Molliges, Welliges und fühlt sich fettig an. Sein Blick gleicht an Genauigkeit und Schärfe dem des Menschen. Er ist etwas größer als unsere schönsten Hausesel und hat einen außergewöhnlichen Mut. Wenn er zufällig angefallen wird, wehrt er sich gegen die gefährlichsten Raubtiere mit erstaunlicher Überlegenheit. Die Schnelligkeit seines Galopps kann nur mit dem Flug der Vögel verglichen werden. Ein Onager, Monsieur, würde die besten arabischen und persischen Pferde hinter sich lassen. Den Beschreibungen zufolge, die der Vater des gewissenhaften Dr. Niebuhr ... [Fußnote: der Vater des gewissenhaften Dr. Niebuhr : Karsten Niebuhr (1733-1815) unternahm von 1761 bis 1767 im Auftrag der dänischen Regierung eine Forschungsreise in den Orient. Seine Reisebeschreibungen galten lange Zeit als Grundlagenwerk. Das Hauptwerk seines Sohnes Barthold Georg Niebuhr (1776-1831), Staatsmann und Historiker, ist eine 1811 erschienene ›Römische Geschichte‹] . veröffentlicht hat, dessen Verlust wir, wie Sie wissen, seit kurzem beklagen müssen, beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit dieser prächtigen Tiere 7000 Feldmesserschritte [Fußnote: 7000 Feldmesserschritte entsprechen 11,340 km] in der Stunde. Unsere degenerierten Esel können uns von diesem unabhängigen, stolzen Esel gar keine Vorstellung geben. Er hat eine anmutige, lebendige Haltung, einen klugen und verständigen Blick, eine gefällige Erscheinung und überaus zierliche Bewegungen. Er ist der König des Tierreichs im Orient. Die abergläubischen Vorstellungen der Türken und Perser schreiben ihm sogar eine geheimnisvolle Abstammung zu, und der Name Salomos kommt in den Berichten vor, welche in Tibet und der Tatarei von den Heldentaten dieser edlen Tiere erzählen. Ein gezähmter Onager kostet enorme Summen; es ist fast unmöglich, ihn in den Bergen zu fangen, wo er wie ein Reh davonsetzt und wie ein Vogel zu fliegen scheint. Die Sage von den geflügelten Pferden, von unserem Pegasus, hat ihren Ursprung ohne Zweifel in den Ländern, wo Hirten oft einen Wildesel im Sprung von einem Felsen zum anderen beobachten konnten. Die Reitesel, die man in Persien aus der Paarung einer Eselin mit einem gezähmten Onager erlangt, werden nach einer uralten Tradition rot bemalt. Dieser Brauch hat vielleicht zu unserer Redewendung: »Störrisch wie ein roter Esel« Veranlassung gegeben. In einer Zeit, wo die Naturgeschichte in Frankreich sehr im argen lag, wird, so denke ich mir, ein Reisender eins dieser seltsamen Tiere, welche die Sklaverei nur widerwillig ertragen, in unser Land gebracht haben. Daher diese Redensart. Die Haut, die Sie mir hier zeigen, ist die Haut eines Onager. Über den Ursprung des Namens gehen unsere Meinungen auseinander. Die einen behaupten, »Chagri« sei ein türkisches Wort, andere geben an, »Chagri« sei die Stadt, in der diese Tierhaut einer chemischen Prozedur unterworfen werde, die Pallas [Fußnote: Pallas , Peter Simon (1741-1811): deutscher Naturforscher; unternahm im Dienst der Kaiserin Katharina II. Expeditionen in den östlichen und südlichen Teil des russischen Reiches. Seine Werke enthalten seine umfassenden wissenschaftlichen Beobachtungen] recht gut beschrieben hat und die ihm jene eigenartig genarbte Oberfläche verleiht, die wir so schätzen; Monsieur Martellens hat mir geschrieben, Châagri sei ein Bach.«
    »Ich danke Ihnen sehr, daß Sie mir Aufschlüsse gegeben haben, die einem Dom Calmet [Fußnote: Dom Calmet , Augustin (1672-1757): Lothringischer Gelehrter des Benediktinerordens, Verfasser eines Bibellexikons, von Bibelkommentaren und kirchenhistorischen Werken sowie einer Geschichte Lothringens] Stoff zu einer trefflichen Anmerkung geben könnten, wenn die Benediktiner noch existierten; aber ich hatte mir mitzuteilen erlaubt, daß dieses Stück ursprünglich so groß war ... wie diese Landkarte«, sagte Raphael und wies auf einen aufgeschlagen daliegenden Atlas, »seit drei Monaten aber hat es sich unverkennbar zusammengezogen ...«
    »Schön«, erwiderte der Gelehrte, »ich verstehe. Monsieur, jede abgezogene Haut, die von einem Lebewesen stammt, ist, wie leicht zu begreifen,

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