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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einzigen Weg darstellte, in Ehren vor ihren
Gott zu treten. Doch er erlebte eine weitere Überraschung: Die
Männer hüllten die Leichen ihrer gefallenen Kameraden hastig
in Segeltuch, trugen sie zum Strand und übergaben sie ohne eine
Zeremonie den Wellen. Verständnislos schauten Andrej und
Abu Dun dem Schauspiel zu. Diese Männer gehörten entweder
einer Gruppe an, deren Sitten und Gebräuche ihnen bisher
unbekannt waren, oder sie hatten es plötzlich sehr eilig, die Insel
zu verlassen.
    Wie sich zeigte, war Letzteres der Fall.
Thure war der Erste, der mit steinernem Gesicht zum Lager
zurückeilte. Wie alle seine Kameraden war er in voller Rüstung
und bewaffnet gekommen, obwohl einige von ihnen sich vor
Anstrengung kaum auf den Beinen halten konnten. Andrej
entgingen nicht die nervösen Blicke, die er immer wieder zur
Felsenklamm warf. Möglicherweise, dachte er, war Thure in
Sorge wegen eines möglichen zweiten Überfalls.
Sie erreichten das Lager, und Thure bückte sich gerade, um in
dem Zelt zu verschwinden, in dem sein sterbender Bruder lag,
da hielt ihn Andrej mit einer raschen Bewegung zurück.
»Auf ein Wort, Thure.«
Ärgerlich richtete sich der hünenhafte Nordmann wieder auf
und funkelte ihn an. Andrej musste seine Gedanken nicht lesen
können, um zu wissen, dass ihm etwas gänzlich anderes auf der
Zunge lag, doch er fragte nur: »Ja?«
»Diese Männer da.« Andrej machte eine Koptbewegung zu
den Leichen der drei Angreifer hin, die noch immer dort auf
dem Eis lagen, wo sie gefallen waren. Auch das widersprach
jeglicher Erfahrung, die er mit den Sitten und Gebräuchen der
Menschen in diesem Teil der Welt gemacht hatte. Sie mochten
hart und manchmal gnadenlos sein, doch selbst die wildesten
unter ihnen erwiesen einem erschlagenen Gegner dieselbe Ehre
wie ihren eigenen toten Kameraden. »Das waren nicht die, mit
denen ihr gerechnet habt, habe ich recht?«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Thure. Sein Blick suchte für
einen Moment den Abu Duns, der reglos und mit vor der Brust
verschränkten Armen hinter Andrej stand. Es gelang Andrej
nicht, in seiner Miene zu lesen.
»Wäre es anders gewesen, dann wäre dein Bruder kaum allein
aufgebrochen.«
»Er war nicht allein«, gab Thure zurück.
»Oder nur in der Begleitung eines einzelnen Kriegers«, fuhr
Andrej ungerührt fort. Fragen konnte er den Mann nicht mehr.
Er gehörte zu denen, die die Begegnung mit den Fremden nicht
überlebt hatten.
Thure schwieg weiter.
»Ich weiß, dass uns das alles nichts angeht«, fuhr Andrej fort.
»Doch Abu Dun und ich können euch helfen. Wir verstehen uns
ein wenig darauf, mit unseren Waffen umzugehen.«
Bei den letzten Worten lächelte er, doch Thures Gesicht blieb
ausdruckslos. Nur sein Blick tastete für einen Moment über den
zerrissenen Stoff über Andrejs Schulter. Das Blut war mittlerweile eingetrocknet, hatte aber seine Kleidung großflächig dunkelbraun gefärbt.
»Es wäre nur besser, wenn wir wüssten, womit wir es zu tun
haben«, schloss er, als ihm klar wurde, dass Thure nicht antworten würde, ganz egal, wie lange er darauf wartete.
»Ich weiß dein Angebot zu schätzen, Andrej«, sagte dieser
schließlich, schüttelte aber zugleich den Kopf. »Doch das hier
ist nicht euer Kampf. Ich danke euch für eure Hilfe, ohne die wir
jetzt vielleicht alle nicht mehr am Leben wären, aber bitte respektiert meine Entscheidung.«
»Würde dein Bruder auch so denken?«, fragte Abu Dun.
»Möglicherweise nicht«, gestand der bärtige Riese scheinbar
gleichmütig. »Doch solange Björn verwundet ist und nicht entscheiden kann, habe ich hier das Sagen. Und ich entscheide,
dass ihr unsere Gäste seid, die unseren Dank verdienen und ihn
auch bekommen werden, aber im Augenblick –«
»– besser daran tun, sich rauszuhalten und keine allzu neugierigen Fragen zu stellen?«, fiel ihm Abu Dun ins Wort.
Andrej fand das nicht besonders klug. Es war Thure schon
schwergefallen, ihm gegenüber Höflichkeit zu heucheln, doch
gegenüber dem riesigen Nubier mochte er nicht mehr ganz so
zurückhaltend sein. Zu seiner Erleichterung winkte Thure nur
müde ab. Dann ließ er sie allein und verschwand im Zelt.
»Hältst du es für klug, ihn so zu reizen?«, fragte Andrej, leise
und auf Arabisch.
»Seltsam«, erwiderte Abu Dun. »Und mir war, als wärst du es
gewesen, der zuerst eine Frage stellte, die er nicht gerne hörte.«
Andrej seufzte. »Es gibt da ein Wort, dessen Bedeutung ich dir
bei

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