Das Daemonenschiff
Der riesige
Nordmann hatte sich über seinen Bruder gebeugt und Abu Duns
Worten keine Aufmerksamkeit geschenkt, aber inzwischen näherten sich auch die anderen Krieger. Der Kampf war vorbei.
Die beiden Angreifer lagen tot auf dem Eis, doch Andrej zählte
noch vier weitere reglose Körper. Und auch von den anderen
schien keiner ohne schwere Verletzungen davongekommen zu
sein. Andrej konnte nicht fassen, wie schwer sich die Übermacht
mit ihren Angreifern getan hatte.
»Kommt her!«, Thure wedelte ungeduldig mit beiden Armen.
»Schnell! Bringt ihn in sein Zelt! Aber vorsichtig! Ich komme
gleich nach und kümmere mich um seine Wunde!«
Andrej sah schweigend zu, wie vier der Krieger Björn aufhoben und behutsam zum Lager zurücktrugen. Immer noch blutete
seine Wunde und hinterließ eine hellrote Spur auf dem grellweißen Eis.
Seinen eigenen Anweisungen zum Trotz machte Thure keine
Anstalten, ihnen zu folgen, sondern starrte den Männern nur
finster nach. Dann bedachte er Andrej mit einem düsteren Blick.
»Danke. Ohne deine Hilfe wäre mein Bruder jetzt tot.«
»Er wird sterben«, sagte Andrej leise. »Es tut mir leid, Thure.
Aber er wird sterben. Du weißt das.«
»Björn ist stark«, widersprach Thure, drehte sich mit einem
Ruck herum und ging zu dem toten Krieger. Als er sich nach
einer kurzen, aber aufmerksamen Untersuchung wieder den
beiden zuwandte, sah Andrej erneut Misstrauen in seinem Blick.
»Was hast du mit ihm gemacht? Er ist tot.«
»So etwas soll vorkommen, wenn man einem Mann die Hand
abschlägt«, antwortete Andrej, aber Thure schürzte nur abfällig
die Lippen.
»Daran stirbt einer wie er nicht«, behauptete er.
»Einer wie er?«, fragte Abu Dun. »Was soll das heißen?«
Aber Thure ignorierte seinen Einwurf. »Was hast du getan?«,
fragte er nur noch einmal. In seiner Stimme war keine Spur
mehr von Freundlichkeit.
Statt zu antworten, drehte sich Andrej brüsk herum und sah zu
den beiden anderen Toten hin. Er kannte bereits die Antwort auf
seine Frage, stellte sie aber trotzdem. »Sind sie tot?«
Thure zog die Augenbraue nach oben.
»Das ist bedauerlich«, fuhr Andrej fort. »Sie hätten uns vielleicht noch ein paar Fragen beantworten können.«
»Fragen?« Thure lachte hart. »Du hast noch nie einen Dauger
getroffen, wie?«
»Dauger?«, wiederholte Andrej verständnislos. »Was soll das
sein?«
»Sie beantworten keine Fragen«, sagte Thure. »Und ich wüsste
auch keine, die ich ihnen stellen könnte.« Plötzlich runzelte er
die Stirn. »Was ist mit deiner Schulter? Soll ich danach sehen?«
Andrej drehte den Kopf und sah erst jetzt, dass sein Mantel
und auch das dicke Wams darunter zerrissen waren. Der Stoff
war schwer und nass von seinem Blut. Der andere musste ihn
getroffen haben, ohne dass er es bemerkt hatte. »Das ist nichts«,
sagte er rasch. »Nur ein Kratzer.«
Thure kam einen Schritt näher. Seine Augen wurden schmal.
Dann sog er erstaunt die Luft durch die Nase. »Da ist kein
Kratzer!«, rief er überrascht. »Du bist unverletzt! Aber wie kann
das sein?«
Selbstverständlich war er unverletzt. Das Blut, das seine Kleider tränkte, war sein eigenes, aber die Haut unter dem
zerrissenen Stoff wies nicht die kleinste Schramme auf. »Da
habe ich wohl verdammt großes Glück gehabt, wie es scheint«,
sagte Andrej kühl. Er drehte sich um und ging los, bevor Thure
noch einmal nachsetzen konnte.
Im Weggehen spürte er die brennenden Blicke des riesigen
Nordmannes im Rücken.
Die Bilanz, die Thure, Abu Dun und Andrej später zogen, war
verheerend: Zwei von Thures Männern waren tot, ein anderer so
schwer verwundet, dass Andrej glaubte, er hätte den nächsten
Morgen auch dann nicht mehr erlebt, hätten die Sonne und die
Zeit in diesem Land den üblichen Gesetzen gehorcht. Auch
Björn würde die nächste Stunde vermutlich nicht überleben.
Und das, obwohl sie es gerade einmal mit drei Feinden aufgenommen hatten, von denen der größte nicht einmal Andrejs
Statur hatte, von der Abu Duns oder Thures gar nicht zu reden.
Andrej hatte damit gerechnet, dass die Nordmänner einen
Gutteil ihres kostbaren Feuerholzes und möglicherweise sogar
ihre Zelte opferten, um ihren toten Kameraden ein ehrenvolles
Begräbnis auszustatten. Sie waren nun lange genug in diesem
Teil der Welt, um sich ein wenig mit den Sitten und Gebräuchen
der Menschen hier auszukennen, und er hatte rasch begriffen,
wie wichtig es ihnen war, ihre Toten zu verbrennen, was ihrem
Glauben nach den
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