Das Dunkle Muster
war da noch diese Sache mit dem Neuankömmling namens Stern. Wenn ich von dem ausgehe, was du mir erzählt hast, sieht es eher so aus, als hätte Firebrass Stern und nicht etwa dieser Firebrass angegriffen.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte Jill. »Es wäre vielleicht besser, noch einmal von vorn zu beginnen.«
»Na schön. Ich werde dir jetzt etwas sagen, obwohl ich versprochen habe, es geheimzuhalten. Es fällt mir gewiß nicht leicht, mein Wort zu brechen, und ich tue es jetzt zum erstenmal. Aber ebenso gut kann es möglich sein, daß ich mein Wort jemandem gegeben habe, der in Wirklichkeit mein Feind ist.
Es ist siebzehn Jahre her. Das ist eine lange Zeit, und dennoch scheint es mir, als sei es gestern gewesen! Ich lebte damals in einem Gebiet, dessen Bewohner zum größten Teil aus meiner Heimat und meiner Zeit stammten. Auf dem rechten Ufer, sollte ich dazu sagen. Auf dem linken lebten braunhäutige Wilde; Indianer, die auf Kuba lebten, bevor Kolumbus dortgewesen war, und ich glaube, diese Leute hatten es noch nicht einmal gemerkt, daß sie jetzt an einem anderen Ort waren. Sie waren äußerst friedfertig, und nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten kam das Gebiet wieder zur Ruhe.
Der kleine Staat, in dem ich lebte, wurde vom Großen Conti, unter dem ich bei der Belagerung von Arras zu dienen die Ehre hatte, geleitet. Dabei zog ich mir eine Wunde an der Kehle zu; die zweite übrigens, die man ernsthaft nennen konnte, abgesehen von den vielen kleineren, derer ich teilhaftig wurde in all den Kriegen und Schrecken, die in mir die Ansicht verdichteten, daß Mars der dümmste aller Götter sein muß. Gleichfalls aber hatte ich das Vergnügen, dort meinen guten Freund und Lehrmeister, den berühmten Gassendi zu finden. Er hatte, wie du sehr wohl weißt, Ansichten, die denen des berüchtigten Descartes widersprachen, und er erweckte Epikur, dessen Physik und Moral er beispielhaft repräsentierte, zu neuem Leben. Gar nicht zu reden von seinem Einfluß auf Möllere, Chapelle und Dehenault, die – nebenbei gesagt – ebenfalls gute Freunde von mir sind. Er regte sie dazu an, Lukrez, den göttlichen römischen Atomisten, zu übersetzen…«
»Komm zur Sache! Sag mir nichts als die nackte Wahrheit!«
»Was die Wahrheit anbetrifft, um ganz kurz einen anderen Römer zu zitieren…«
»Cyrano!«
61
»Na gut. Zur Sache. Es war mitten in der Nacht. Ich lag schnarchend neben meiner lieblichen Livy, als ich plötzlich erwachte. Die einzige Beleuchtung in unserer Hütte wurde vom Sternenlicht hervorgerufen, das durch die offenen Fenster fiel. Eine hochgewachsene Gestalt beugte sich über mich; eine kompakte, schwarze Masse mit einem außergewöhnlich runden Kopf, der aussah wie ein ausgebrannter Mond. Ich setzte mich hin, aber bevor ich meinen Speer erreichen konnte, der stets neben mir lag, begann die Gestalt zu sprechen.«
»In welcher Sprache?«
»Eh? In der einzigen, die ich damals fließend beherrschte, nämlich meiner eigenen, die nebenbei die schönste Sprache der Erde war. Dieses Wesen sprach zwar nicht das allerbeste Französisch, aber ich konnte es verstehen.«
»>Savinien de Cyrano II de Bergerac<, sagte der Fremde zu mir und sprach mich mit meinem vollen Namen an.
>Verfügen Sie über mich, mein Herr<, erwiderte ich. Trotz meines starken Herzklopfens und dem dringenden Bedürfnis, pinkeln zu gehen, schaffte ich es, bewundernswert ruhig zu bleiben. Und dann sah ich, ungeachtet des in dieser Dunkelheit kaum erwähnenswerten Sternenlichts, daß er so gut wie keinen kriegerischen Eindruck machte. Wenn er überhaupt eine Waffe besaß, mußte er sie unter seinem weiten Umhang versteckt halten. Trotz meiner anfänglichen Verwirrung stellte ich mir die Frage, wieso meine Livy – die einen sehr leichten Schlaf hatte – nicht aufwachte. Aber sie schlief weiter und schnarchte hübsch und leise vor sich hin.
>Sie können mich nennen wie Sie wollen<, sagte der Eindringling. >Mein Name ist im Moment nicht von Wichtigkeit. Und wenn Sie sich wundern sollten, warum Ihre Frau nicht ebenfalls aufgewacht ist: es liegt daran, daß ich dafür gesorgt habe, daß sie weiterschläft. – Oh, nein!< fügte er hinzu, als ich mit aller Macht aufzuspringen versuchte, >ich habe ihr keinesfalls irgendwelche Schmerzen zugefügt. Sie steht unter einer Droge und wird morgen früh aufwachen, ohne auch nur Kopfschmerzen zu spüren.<
In diesem Moment wurde mir klar, daß ich – oder zumindest ein Teil von mir
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