Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
durch die verwaisten ebenerdigen Kreuzgänge zum privaten Anlegesteg der Zikkurat.
Es war bereits weit nach Mitternacht, weshalb nur wenig Verkehr herrschte auf dem Great Major Canal. Er wartete eine Minute, als eine Gondel in den High Pool glitt, bis deren Laterne um den gekrümmten Kanaldamm verschwand, griff dann, nachdem weit und breit kein Boot mehr zu sehen war, mit seiner dritten Hand hinaus und verfestigte das Wasser. Auch etwas, das er seit Jahren nicht mehr getan hatte.
Edeard rannte geraden Weges über die Wasserstraße. Als er sie etwa zur Hälfte überquert hatte, erfasste ihn der Fernblick. Er war so unvermeidlich, dass er fast schon auf ihn vorbereitet war.
»Wart' nur, eines Tages krieg ich dich«, schickte er seinen Longtalk den sich durch die Stadt bis nach Cobara spannenden Perzeptionsstrang hinab. »Du weißt, es ist nur eine Frage der Zeit.«
Der Fernblick wurde so abrupt unterbrochen, als wäre eine Klappe gefallen. Edeard grinste. Dann kam er an einer öffentlichen Anlegestelle an, deren Holztreppen ihn nach Eyrie hinauf führten.
Vor ihm erstreckten sich die windschiefen Türme des Bezirks. Um das untere Viertel eines jeden von ihnen schimmerten dünne, orangefarbene Lichtstreifen aus den düsteren, runzligen Mauern. Sie erhellten die sich zwischen ihnen hindurchschlängelnden verlassenen Straßen. Die oberen Bereiche aber stachen pechschwarz wie Dämonenfinger in den in Sternennebel gehüllten Himmel.
Es hatte ihn ganz instinktiv hierhergezogen. Die Schriften der Herrin sprachen davon, wie die Kranken und Gebrechlichen und Alten oben auf den Türmen gewartet hatten, wie ihre Seelen dann, wenn der Skylord seine Schwingen über der Stadt ausgebreitet hatte, gen Himmel aufgefahren waren, um von Querencia fortgeleitet zu werden.
Er gelangte zu dem Turm nicht weit von der großen Kirche der Herrin, von dem ihn vor so vielen Jahren Verschwörer aus den herrschaftlichen Familien herabgeworfen hatten. Er zählte zu den höchsten in Eyrie, womit er Edeard näher an den Skylord heranbringen würde als sonst ein Gebäude in Makkathran. Alle Aversionen gegenüber dem Ort und seinem Widerhall ignorierend stieg er die Innentreppe empor, die sich nach oben schraubte, bis er schließlich die Spitze erreichte und auf der großen runden Plattform stand, die den Turm krönte. Acht Dornen ragten aus der Kante empor, deren verdrehte Spitzen weitere vierzig Fuß in die Höhe ragten.
Die Erinnerungen, die ihn jetzt jäh überkamen, waren keine guten. Hier hatte ihm Medath aufgelauert. Hier hatten ihn die anderen Verschwörer der Großen Familien überwältigt und ... Er verzog das Gesicht, als er über den Rand der Kante starrte, über die er hinweggestoßen worden war. Nach so langer Zeit, mehr als vierzig Jahre, hätte ihn das wirklich nicht mehr nervös machen sollen, doch die Erinnerung daran war beängstigend klar. So klar, dass er sich sogar mit seiner Fernsicht umsah, um absolut sicherzugehen, dass außer ihm niemand hier oben war.
Idiot, schalt er sich selbst. Jäh ließ er sich auf die Plattform sinken, kreuzte die Beine und legte den Kopf in den Nacken, um hinauf in den Himmel zu schauen. In der westlichen Hemisphäre war über den Dornenspitzen Gicons Band zu erkennen; hell strahlten seine Planeten gleich neben dem Saum des prachtvoll aquamarin leuchtenden Ku-Sternennebels.
Obwohl er genau wusste, wohin er blicken musste, war der Skylord mit bloßem Auge noch nicht auszumachen. Stattdessen rief Edeard ihn an, bündelte die ganze Kraft seines Geistes in einem einzigen Gedanken des Willkommens, stellte sich vor, wie dieser Gedanke in den Weltenraum entströmte.
Und da endlich antwortete der Skylord.
Finitan hatte sich in einem der Häuser in Tosella zur Ruhe gesetzt, welche die Eiformergilde für ihre verdienten älteren Mitglieder unterhielt, die sich von ihren aktiven Pflichten zurückgezogen hatten. Es war ein großes, kastenförmiges Gebäude mit einem breiten und kunstvollen, zartviolett-grünen Ornamentstreifen, der es in Höhe des dritten Stockwerks umlief.
Draußen waren keine Wachen postiert, einzig ein Ge-Hund lag zusammengerollt seitlich des Tors, der Edeard nur einmal kurz anblickte und gähnte. Damals, als Edeard in die Stadt gekommen war, hatte jedes größere Gebäude eine Art Schildwache gehabt. Heute, in Zeiten, da man alltägliche Aufgaben wie das Bewachen eines Tors wieder vermehrt Genistars überantwortete, war deren Zahl merklich gesunken.
Edeard betrat durch das offene
Weitere Kostenlose Bücher